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Alles Wurst

Alles Wurst

Titel: Alles Wurst
Autoren: Christoph Guesken
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habe?«

    »Fest steht, dass er Sie bewundert hat.«

    »Bewundert würde ich nicht sagen. Vor allem wollte er mich wegen meiner Ohren.«

    »Ihrer Ohren?«

    »Du bist die ideale Comicfigur, meinte er. Die meisten Leute muss man erst karikieren, aber dich brauche ich nur abzuzeichnen. Wenn Sie das Bewunderung nennen …« Mein Gegenüber erhob sich, ging ins Haus und machte sich daran, Kaffee zu kochen. »Er ist mein Neffe, Herr Voss, und ich wollte seinem Werdegang nicht im Wege stehen. Also habe ich ihm Modell gesessen.«

    »Und dabei haben Sie sich über dies und das unterhalten, nicht wahr?«

    »Wie das so ist.« Mein Gastgeber wartete, bis der Kaffee durch den Filter getröpfelt war, dann füllte er uns zwei Tassen ab und kehrte an den Plastiktisch zurück. »Wollen Sie Zucker? Milch ist im Kühlschrank.«

    Ich machte mich auf den Weg.

    »Ich habe mich bemüht, ihm das Geheimnis der Wurst nahezubringen«, rief er hinter mir her. »Welche ungeheueren Möglichkeiten in diesem Nahrungsmittel stecken und jederzeit hineingesteckt werden können. Die Wurst, mein lieber Herr Voss, ist nicht nur eine schlichte Erfindung unter vielen wie beispielsweise das Rad, das meiner Ansicht nach gerade in dieser Stadt völlig überbewertet wird. Die Wurst und nur sie gibt der Spezies Mensch die Möglichkeit an die Hand, sich quasi selbst zu verstoffwechseln und damit auf diesem Planeten langfristig zu überleben.«

    »Das sagten Sie ja bereits.«

    »Aber Jens hat das falsch verstanden. Ich beschrieb ihm meine kühne Zukunftsvision vom Standpunkt des Künstlers und er bildete sich offenbar ein, dass wir gemeinsam gegen die Fleischmassenproduktion, gegen das Töten von Tieren und für den Vegetarismus als Weltreligion Plakate schwenken würden. Glaubte, dass er seiner Täuferfigur damit einen ökologischen Touch verleihen konnte. Kein Wunder, dass er grün im Gesicht wurde, als er eines Tages an meinem Arbeitsplatz auftauchte.«

    »Defries sympathisierte mit dem Mann, den Sie für den Tod Ihrer Schwester verantwortlich machten. Da haben Sie ihm erzählt, was es mit dem mysteriösen Unfall seiner Mutter auf sich hatte.«

    »Zugegeben, es passte mir nicht, dass ich der windige Zauberlehrling sein sollte und der Pfeifenmann Seine Heiligkeit in Person. Also machte ich ihm klar, dass Castrop und Wallenstein nur so täten, als wären sie die größten Feinde. Und dass sie in Wirklichkeit unter einer Decke steckten.«

    »Wie reagierte Defries?«

    »Er hielt sich die Ohren zu. Aber dann meinte er, wenn das stimme, habe er Wallenstein die längste Zeit verehrt. Er würde den Kampf eben mit seinem Vater führen oder, wenn es sein müsste, auch allein. − Aber Wallenstein ist doch dein Vater, du dämlicher Idiot, habe ich gesagt, und ich bin dein geschätzter Onkel. Zum Beweis habe ich ihm aus Selmas Tagebuch vorgelesen, das sie mir am Tage ihres Selbstmordes zugeschickt hat. Nun ja, das hat ihn dann ziemlich mitgenommen.«

    »Verstehe«, nickte ich. »Jens Defries war der Torpedo, den Sie auf die Taufkumpane abschießen konnten, nicht wahr?«

    Der Mutant schüttelte den Kopf. »Noch etwas Kaffee?«

    »Was hatte er vor, nachdem er vor Ihnen die Flucht ergriffen hatte?«

    Zucker deutete auf das Blatt. »Keine Ahnung. Vermutlich ist er nach Hause gegangen und hat dieses Nachwort geschrieben.« Zucker grinste ein, wie ich fand, diabolisches Grinsen. »Wenn er Ihnen über den Weg laufen sollte, würden Sie ihm dann Grüße von mir ausrichten?«

45

    Kim Armbrusters bescheidenes Eigenheim erwies sich als recht großzügig geschnittenes Anwesen am äußersten Ortsrand von Angelmodde. Wer zum ersten Mal seinen Fuß darauf setzte, fühlte sich an Karl den Fünften und sein bescheidenes Reich erinnert, von dem man gesagt hatte, dass darin die Sonne niemals untergehe. Das Grundstück verfügte über zwei Swimmingpools, einen mittelgroßen Fichtenwald mit Damwildbeständen, einen künstlich aufgeschütteten Hügel mit Nistplätzen für seltene Seevögel, drei Obstgärten, einen verwaisten Kinderspielplatz und eine ausgedehnte Weide für Kamerunschafe. Die große Liegewiese, deren Zentrum ein gotisch zugespitzter Pavillon bildete, fiel zur Werse hin leicht ab. Unten am Ufer gab es einen Steg und einen überdachten Bootsliegeplatz mit einem Fahnenmast, an dem das Sternenbanner und die Flagge der Südstaaten flatterten. Die weitläufige Naturwiese bildete den grandiosen Schauplatz für Armbruster seniors Einweihungsbarbecue.

    Es war ein
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