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Alles Wurst

Alles Wurst

Titel: Alles Wurst
Autoren: Christoph Guesken
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Politik- und Sozialwissenschaften, Altachtundsechzigern in sündhaft teuren Flickenjeans, Esoterikern und Anthroposophen −, bis ich die Entdeckung machte, dass das Lokal nicht nur mit falschem Nachhaltigkeitsgehabe nervte, sondern darüber hinaus über eine echte Sehenswürdigkeit verfügte.

    Ich schätzte sie auf Anfang dreißig. Sie hatte hellbraunes, seidiges Haar, lange, schlanke Beine, die sie unter einem für die allgemeine Wollpullovermentalität dieses Hauses fast unziemlich kurzen Rock präsentierte, und einen Schmollmund von der perfekten Art, dass man ihm einfach verfallen musste.

    »Was kann ich Ihnen bringen?«, fragte sie mit einer Stimme, die alle Fasern meines Körpers zum Schwingen brachte.

    »Eigentlich wollte ich nur den Chef sprechen«, sagte ich. »Herrn Fricke.«

    Ich bildete mir ein, leichte Enttäuschung auf ihrem Gesicht wahrzunehmen, aber ich konnte mich auch irren. Enttäuscht aussehen gehört bei Schmollmündern zum Standardrepertoire.

    »Sein Büro ist eine Treppe höher«, antwortete die Engelsgleiche. »Auf der Tür steht Management .«

     
    Fricke schien permanent schlechte Laune zu haben. Auf mein Klopfen antwortete er mit einem barschen »Was gibt’s denn?«, als hätten wir unser unerfreuliches Telefongespräch gerade erst beendet.

    »Henk Voss«, sagte ich. »Wir hatten telefoniert.«

    Fricke war ein kleiner, übergewichtiger Mann mit einem runden, ungesund roten Gesicht, aus dem sich mir eine längliche, irgendwie verbogene Nase entgegenreckte. Er hockte hinter einem Schreibtisch und sah auf, als ich das Zimmer betrat. Seine Schweinsäuglein musterten mich angriffslustig.

    »Ich hab Ihnen doch gesagt, Sie brauchen nicht zu kommen.«

    »Unsere Detektei macht keine halben Sachen«, behauptete ich großspurig. »Deshalb werde ich Ihren Fall lösen.«

    Das Gesicht hinter dem Schreibtisch verdunkelte sich. Jede Wette, dass der Arzt ihm unnötige Aufregung untersagt hatte. »Wissen Sie, was Privatdetektive sind? Schmarotzer, die andere die Arbeit tun lassen und hinterher die Hand aufhalten. Schlimmer als Bänker und Rechtsanwälte!«

    »Haben Sie irgendeinen Verdacht«, fragte ich unbeirrt, »wer sich hinter Robin Food verstecken könnte?«

    Fricke sah überrascht aus. »Wie ich Ihrem Partner schon gesagt habe«, schimpfte er los, »ist mir scheißegal, wer mich terrorisiert. Sie sollen nur dafür sorgen, dass er damit aufhört, kapiert?«

    »Wer ist die internationale Fleischaufsichtsbehörde?«

    Meinem Gegenüber entfuhr ein kurzes, wieherndes Lachen. »Die gibt’s überhaupt nicht, das ist ja der Witz! Niemand kontrolliert den ganzen Mist, Sie ahnen ja gar nicht, was da alles so abgeht.« Fricke beugte sich vor und sah mitleidig aus. »Sagen Sie mal, Sie haben nicht den geringsten Schimmer von der Materie, oder irre ich mich?«

    Ich holte meinen Notizblock hervor und begann, mir Notizen zu machen. Aufzeichnungen dieser Art taugen nicht viel, aber die Geste vermittelt in der Regel einen Eindruck von Sachverstand und Kompetenz. »Sie haben also keinen Verdacht?«

    »Wovon rede ich denn die ganze Zeit? Habt ihr Schnüffler etwa nur Nasen und keine Ohren? Hinter all dem steckt niemand anderer als Wallenstein.«

    »Wallenstein?«

    »Guten Morgen!«, ätzte Fricke, griff hinter sich in ein Regal und schleuderte ein Taschenbuch auf den Schreibtisch. Der große Bioschwindel, lautete der Titel. Von G. Wallenstein, Autor des Bestsellers ›Gutes Essen für Ihr Geld‹. »Da steht alles drin. Die Drohbriefe können Sie daraus praktisch eins zu eins abschreiben. Dieser Kerl«, Frickes Zeigefinger trommelte wütend auf das Büchlein, »hat alles angezettelt. Aus Angst vor Konkurrenz!«

    »Haben Sie Beweise für diese Behauptung? Ich meine, außer dass er das Buch geschrieben hat?«

    Er zuckte nur abfällig mit den Schultern.

    »Wurden Ihnen die Erpresserbriefe per Post zugestellt?«

    »Ich fand sie im Restaurant auf einem der Tische.«

    »Ein Gast könnte sie dort deponiert haben.«

    »Wie scharfsinnig!«

    »Wann war das?«

    »Immer montags, kurz bevor ich dichtgemacht habe.«

    »Also heute.«

    »Das bringt alles nichts.« Fricke seufzte genervt. »Dieser Brief besagt doch nur, dass mir jemand Ärger machen will. Und da müssen wir einhaken.«

    »Einhaken?«

    »Manchmal genügt ein kleiner Anruf, um die Pferde scheu zu machen. So sehe ich das.«

    »Ein Anruf? Bei wem?«

    »Glauben Sie mir, ich bin lange im Geschäft. Mit manchen können Sie sich einigen, mit
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