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Alles Wurst

Alles Wurst

Titel: Alles Wurst
Autoren: Christoph Guesken
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Defries stand auf der Visitenkarte, darunter eine Telefonnummer. Ein Studentenwohnheim, da ist er nicht zu erreichen, hatte Frau Nebel danebengekritzelt. Ich dachte an den Kerl, der vorgestern Nacht großzügig meine Rechnung übernommen und mich damit aus der Klemme gerettet hatte. Alles ist ein abgekartetes Spiel und ich habe mich nach Strich und Faden verarschen lassen. Steckte dieser Mann seinerseits in der Klemme und war es jetzt an mir, ihm zu helfen?

    Frickes letzte Bemerkung mit dem Vorschuss kam mir in den Sinn. Unwahrscheinlich, dass der Kerl bluffte, dazu fehlte ihm die Fantasie. Fricke war der Typ, den nur interessierte, dass er etwas für sein Geld bekam. Jemand, der gern vom Preis-Leistungs-Verhältnis faselte.

    Ich gönnte mir noch einen Kaffee aus dem Automaten. Das noble Gerät war keiner dieser simplen Wasserheißmacher, sondern mahlte die Bohnen portionsweise, um sie dann mit Wasser, das gerade erst gekocht hatte, zu überbrühen. Darüber hinaus konnte man sich per Menütaste für Espresso, Latte macchiato, frische Hühnerbrühe und Minestrone entscheiden.

    Hinter dem Kaffeekocher, auf der Fensterbank, stand ein chromblitzender Toaster mit viel unnötigem Schnickschnack im Stil der Fünfziger. Auch der war nicht gerade billig gewesen. Vom Toaster aus hatte man einen weiten Ausblick auf den Kreativkai, die restaurierten Hafenanlagen und die schicken jungen Leute, die aus aller Welt herbeiströmten, um am Dortmund-Ems-Kanal eine Karriere zu starten, die in Hollywood oder an der Wall Street gipfeln sollte. Wenn man hier nicht gewinnen konnte, dann quartierte man sich lieber gleich in einer Dachwohnung an der Wolbecker Straße ein.

    Was mich anging, so hatte ich keine Lust auf die Wolbecker Straße. Deshalb musste die Lüftung des Geheimnisses um den seltsamen Kerl im Stuhlmacher noch etwas warten.

3

    Das Biotop war ein Vollwertrestaurant für den schmalen Geldbeutel, etwas für den kleinen Hunger zwischendurch, wenn auch weniger − wie Kittel notiert hatte − für den kleinen Appetit. Am Anfang der Windthorststraße gelegen, direkt gegenüber dem Hauptbahnhof, lauerte es auf Touristen, die diese Stadt mit ihrem Image als umwelt- und energiebewusste Fahrradstadt erkunden wollten, um ihnen quasi als Begrüßung einen fettigen Bioburger in die Hand zu drücken.

    Ich stieß auf Kittels Unterlagen über den Fall Fricke in einem der Umzugskartons, die er in aller Eile vollgestopft und ich hergeschleppt hatte. Das meiste waren handschriftliche Notizen, praktisch wertloses Geschreibsel, da Kittel – wie er oft zugegeben hatte – seine Schrift selbst nicht mehr entziffern konnte, wenn sie älter als einen Tag war. Die einzigen lesbaren Schriftstücke bestanden aus Lettern, die jemand aus einer Zeitung ausgeschnitten hatte.

     
    DEIN ESSEN IST SCHLECHT, mahnte der erste Brief. GIB DAS ZU ODER ZAHLE € 20.000,− BUSSE. GEZ.: INTERNATIONALE FLEISCHAUFSICHTSBEHÖRDE – ROBIN FOOD

    PS: LASS ES ALS TRINKGELD AUF DEM TISCH LI EGEN.

     
    Im zweiten Schreiben schwang Enttäuschung darüber mit, dass das erste ohne Resonanz geblieben war.

     
    DU BIST SELBST SCHULD, WENN DU AUFFLIEGST. DENKST DU, ES WÜRDE MIR SPASS MACHEN, ALLEN ZU ERZÄHLEN, WO DU DAS ESSEN HERHAST ODER WAS DRIN IST? ALSO WARUM ZAHLST DU NICHT LIEBER DEIN BUSSGELD? GEZ.: ROBIN FOOD (IFAB)

     
    Es war gegen Mittag, als ich das Restaurant betrat. Der Betrieb war mäßig, es roch nach aufgewärmtem Essen, und aus in der Decke eingelassenen Lautsprechern dudelte 1LIVE. Wie bei anderen Fast-Food-Restaurants schien auch hier der Verzicht auf Gemütlichkeit zum Erfolgsrezept zu gehören. Zum Ausgleich gab es viel Balsam für das ökologische Gewissen: Tische, die per Aufschrift damit prahlten, garantiert nicht aus Tropenholz zu bestehen, was nicht gelogen war, denn auf den zweiten Blick erwiesen sie sich als Pressholzware. Grüne Vorhänge vor den Fenstern, die selbst gehäkelt aussahen, Papiertischdecken, auf denen weise Indianersprüche über die Geldgier des weißen Mannes aufgedruckt waren und die Beteuerung, dass man mit jedem verzehrten Bioburger zur Rettung des Regenwaldes beitrug. Ja, es bestand sogar die Möglichkeit, der globalen Erwärmung kleinschrittig entgegenzuwirken, indem man sich obendrein ein kühles Nachhaltigkeitsbier genehmigte.

    Ich nahm an einem der furnierten Tische Platz und amüsierte mich eine Weile selbstgerecht über die anderen Gäste − ein Mischmasch aus wichtigtuerisch schwatzenden Studenten der
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