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Alles Wurst

Alles Wurst

Titel: Alles Wurst
Autoren: Christoph Guesken
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einen des Entsetzens.

    »Nehmen Sie das weg!«, krähte sie. »Das ist ja … abscheulich!«

    Anspruchsvolle Zicke! Gemächlich, so als hätte ich im Moment nichts Besseres zu tun, trottete ich zurück an ihren Tisch. Wäre nicht das 1LIVE -Gedudel gewesen, hätte man eine Stecknadel fallen hören können. Es war ein wenig wie im Western, nachdem Billy the Kid den Saloon betreten hat und das Klavier verstummt.

    »Was stimmt denn jetzt wieder nicht?«, fragte ich, ohne meine Genervtheit zu verhehlen. »Wollen Sie die Nummer dreiundzwanzig etwa auch nicht essen?«

    »Da – mitten in der Soße –, da ist ein Finger!«

    »Kein Finger, junge Dame, das ist lupenreines Putengeschnetzeltes. Ich wünsche guten Appetit.«

    »Das ist ein Finger.« Sie stammelte und rang nach Luft. »Abscheulich! Geschmacklos!«

    Sie hatte es doch nicht mal probiert. Trotzdem warf ich einen Blick auf das Geschnetzelte.

    Schon wieder. Sie hatte schon wieder recht. Obgleich mit Rahmsoße bedeckt, konnte man es gut erkennen. Es war ein menschlicher Finger.

4

    Da es sich nicht um eine Attrappe handelte, dauerte es keine halbe Stunde, bis die Kripo das Biotop dichtgemacht hatte. Verpufft war die Hektik der mittäglichen Rushhour − Gäste, denen man während des Essens den Teller weggeschnappt hatte, warteten murrend darauf, endlich ihre Aussage zu machen. Die Teller mit den Gerichten standen, sorgsam bewacht von einer Beamtin, auf dem Tresen aufgereiht und die Küche hatte den Betrieb eingestellt.

    1LIVE dudelte immer noch und Hauptkommissarin Sanne Schweikert von der Kripo Münster nahm die Ermittlungen auf. Ihr Alter war schwer zu schätzen. Sie fixierte mich mit einem finsteren, durchdringenden Blick, der dafür sorgte, dass ich mich unbehaglich fühlte. Im Mittelalter hätte ihr dieser Blick möglicherweise den Scheiterhaufen eingebracht.

    »Sieh da, ein neues Gesicht bei der Kripo«, begrüßte ich sie.

    »Sie sind hier angestellt?«, erkundigte sie sich.

    »Nein, das kann man so nicht sagen.«

    »Kann man nicht? Haben Sie heute hier bedient oder nicht?«

    »Ja, aber nur ausnahmsweise. Als Ersatz für den erkrankten Kellner. Undercover sozusagen.«

    »Undercover?« Ihre Stirn runzelte sich bedrohlich.

    »Ich bin Privatdetektiv. Mein Name ist Henk Voss. Ich ermittle im Auftrag von Herrn Fricke, dem dieses Restaurant gehört.«

    »Sie ermitteln«, wiederholte die Kommissarin und es schwang fast Ekel, auf jeden Fall eine satte Portion Hohn darin.

    »Herr Fricke«, erklärte ich geduldig, »hat anonyme Drohbriefe erhalten. Ich nehme stark an, dass dieser Finger die Geldforderung seines Erpressers auf drastische Weise unterstreichen sollte.«

    »Das nehmen Sie an.«

    »Allerdings. Nur so ergibt es einen Sinn.«

    Ihr Blick streifte mich kurz, eiskalt wie der russische Winter. »Aber es trifft doch zu, dass Sie es waren, der dieses Körperteil serviert hat?«

    Ich nickte.

    »Eine Kundin, Frau Lieselotte Hambüchen, erstattet Anzeige gegen Sie wegen versuchter Körperverletzung. Sie sagt, dass Sie, Herr Voss, ihr absichtlich den Finger zusammen mit dem Putengeschnetzelten servierten.«

    »Aber das ist doch absurd!«

    »… um sich dafür zu rächen, dass Frau Hambüchen Sie kurz zuvor gemaßregelt hatte.«

    »Na schön, na schön.« Ich hob beschwichtigend die Hände. »Lassen Sie es mich bitte erklären. Das war sozusagen mein erster Arbeitstag und ich hatte alle Hände voll zu tun. Sie wissen, wie manche Leute sind, Frau Kommissarin.«

    »Nein. Wie sind sie denn?«

    »An allem finden sie etwas zu meckern, nur weil sie innerlich vertrocknet und völlig frustriert sind. Im Reklamieren und Beschweren besteht für sie der Sinn ihres Daseins. Und die Esoteriktante ist ein Musterbeispiel dieser Sorte.«

    Hauptkommissarin Schweikert spitzte den Mund. »Frau Hambüchen ist meine Reikilehrerin. Darüber hinaus eine gute Bekannte. Letztes Jahr haben wir zwei Wochen gemeinsam auf Formentera verbracht.«

    »Nun, eh, das«, räumte ich mit einem weiteren Räuspern ein, »verändert die Lage natürlich ein wenig.«

    »Bleibt noch zu klären, woher Sie den Finger haben.«

    »Das ist nicht mein Finger.« Wie zum Beweis hob ich beide Hände − schon wieder der falsche Scherz zum falschen Zeitpunkt.

    »Erst neulich klaute ein Medizinstudent einen Arm aus der Anatomie, schleppte ihn mit in den Bus und ließ ihn beim Aussteigen an der Haltestange hängen.«

    »Ich habe den Finger nicht ins Essen gemischt.«

    »Grober Unfug.« Die
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