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Alles, was ist: Roman (German Edition)

Alles, was ist: Roman (German Edition)

Titel: Alles, was ist: Roman (German Edition)
Autoren: James Salter
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mochte. Bowman lehnte dankend ab. Er nahm eine Tasse Kaffee und wartete nervös. Er wusste, wie er sich Mr Kindrigen vorzustellen hatte, ein Mann im Maßanzug mit einem leicht sehnigen Gesicht und grauem Haar.
    Es war still. Hin und wieder drangen leise Stimmen aus der Küche. Er trank den Kaffee und stand auf, um sich nachzuschenken. Die Fenster zum Garten verschwanden im gleißenden Licht.
    Um Viertel nach neun kam Kindrigen ins Zimmer. Bowman sagte guten Morgen. Kindrigen antwortete nicht, er schien ihn kaum zu bemerken. Er trug ein teures Hemd mit weiten französischen Manschetten, noch ohne Jackett. Der Butler brachte Kaffee und einen Teller mit ein paar Scheiben Toast. Kindrigen rührte in der Tasse, schlug die Zeitung auf und begann zu lesen, er saß seitlich zum Tisch. Bowman erinnerte sich an ein paar Schurken aus Western, die so saßen. Er sagte nichts und wartete. Schließlich sagte Kindrigen:
    »Sie sind …?«
    »Philip Bowman«, sagte Bowman. »Kevin hat mich vielleicht erwähnt …«
    »Sind Sie ein Freund von Kevin?«
    »Ja. Aus dem College.«
    Kindrigen hatte immer noch nicht aufgesehen.
    »Sie kommen aus …?«
    »New Jersey. Ich lebe in Summit.«
    »Und was wünschen Sie?«, sagte Kindrigen.
    »Ich würde gerne für die New York Times arbeiten«, antwortete Bowman ebenso direkt.
    Kindrigen sah ihn einen Augenblick an.
    »Gehen Sie nach Hause«, sagte er.
    Er fand Arbeit bei einer kleinen Firma, die Theaterbroschüren herausgab, begann dort im Anzeigenteil. Die Arbeit war nicht allzu schwer, aber sie war langweilig. Die Welt des Theaters florierte. Es gab Dutzende von Bühnen in den West Forties, eine neben der anderen, und die Menschen flanierten vorbei und überlegten, für welche Aufführung sie sich Karten kaufen sollten. Würdest du gerne ein Musical sehen oder dieses Stück von Noël Coward?
    Bald darauf hörte er von einer Arbeit, bei der man für einen Verlag Manuskripte las. Das Gehalt war, wie sich herausstellte, geringer als sein bisheriges, aber für einen Verlag zu arbeiten war etwas anderes, eine Beschäftigung für Herren, der Ursprung der Stille und Eleganz von Buchläden und der Frische unberührter Seiten, auch wenn dies an den Büros nicht ersichtlich war, die abgehend von der Fifth Avenue im obersten Stock eines Hauses zum Hof hinaus lagen. Es war ein altes Gebäude, der Aufzug fuhr gemächlich von Gittertür zu Gittertür, vorbei an Fluren mit abgenutzten weißen Kacheln, die mit den Jahren zerbrochen waren. Im Büro des Verlegers wurde Champagner getrunken – einer der Lektoren war gerade Vater geworden. Robert Baum, der Verleger, der gemeinsam mit einem Finanzpartner die Geschäfte führte, war leger im Hemd, ein Mann um die dreißig von mittlerer Statur mit einem freundlichen Gesicht, das wachsam wirkte, aber auch leicht gediegen mit ersten Zeichen von Tränensäcken. Er sprach mit Bowman ein paar freundliche Worte, und nachdem er genügend gehört hatte, stellte er ihn kurzerhand ein.
    »Das Gehalt ist bescheiden«, erklärte er. »Sie sind nicht verheiratet?«
    »Nein. Wie hoch ist das Gehalt?«
    »Eins sechzig«, sagte Baum. »Einhundertsechzig Dollar im Monat. Was sagen Sie?«
    »Weniger, als ich bräuchte und mehr, als ich erwartet hätte«, antwortete Bowman.
    »Mehr als erwartet? Da hab ich wohl einen Fehler gemacht.«
    Baum besaß Selbstvertrauen und Charme, keines von beidem war aufgesetzt. Verlagsgehälter waren generell sehr niedrig, und was er zahlte, lag nur leicht unter dem Durchschnitt. In einem Geschäft, das im Kern schon unsicher war, galt es, die Kosten niedrig zu halten, zudem sie sich gegenüber anderen etablierten Verlagshäusern behaupten mussten. Sie waren ein literarisches Haus, gezwungenermaßen, wie Baum zu sagen pflegte, sie würden einen Bestseller nicht aus Prinzip ablehnen. Der Grundgedanke war, wenig für ein Buch zu bezahlen und eine Wagenladung zu verkaufen. An der Wand in seinem Büro hing der gerahmte Brief eines Kollegen und Freundes, eines etwas älteren Lektors, der gebeten worden war, ein Manuskript zu lesen. Der Brief war auf einem Blatt mit zwei Knickfalten geschrieben und sehr auf den Punkt gebracht. Ein vorhersehbares Buch mit flachen Figuren und einem Stil, der an den Nerven sägt. Die Liebesgeschichte ist kitschig und belanglos, im Grunde sogar abstoßend. Nichts außer den letzten Obszönitäten bleibt der Phantasie überlassen. Es ist ohne jeden Wert.
    »Wir haben zweihunderttausend Exemplare verkauft«, sagte Baum. »Es wird
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