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Alles was du wuenschst - Erzaehlungen

Titel: Alles was du wuenschst - Erzaehlungen
Autoren: Anne Enright
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diese bizarre Geschichte, die eigentliche Geschichte. Denn einige Zeit, nachdem meine Mutter mich »Liebling« genannt hatte und bevor ich Ping von der Leiter stieß, hatte mich ein äußerst seltsames Gefühl überkommen. Es war ein Etwas, es war mein Ich, mein innerstes Selbst, das in meiner Brust rumorte und zu entweichen versuchte, frohlockend, als hätte es in der verkehrten Person gelebt und würde nun endlich nach Hause finden.

In der Bettenabteilung
    Kitty traute der Rolltreppe nicht, oder besser gesagt, den Rolltreppen, denn in der Mitte der Einkaufsebene lagen gleich zwei von ihnen dicht nebeneinander, eine, die sich abwärts, und eine, die sich aufwärts bewegte. Sie mochte weder das Antriebsgeräusch noch das leichte Klacken, das von einem undefinierbaren Etwas verursacht wurde. Vielleicht eine lose Kette, die tief im Innern der Maschine verlief.
    Sie waren neu. Die Stelle, an der sie zum Vorschein kamen, war monatelang vom Boden bis zur Decke mit billigen, blau gestrichenen Holztafeln abgesperrt gewesen. Zuerst, so vermutete Kitty, hatten sie ein Loch in den Boden geschlagen, danach ein weiteres in die Decke. Sie arbeiteten nachts, doch selbst am Tag traten, lächelnd und verschmutzt, Männer hinter den Holztafeln hervor und verschwanden wieder dahinter: gewöhnliche Männer aus Dublin, die wann auch immer arbeiteten und mitten in der Nacht Rolltreppen installierten. Sie fragte sich, wie viel die wohl verdienten.
    Kitty versuchte, mit ihnen warm zu werden, es gelang ihr aber nicht. Der Anblick der Männer zwischen all den Waren ging ihr auf die Nerven. Sie mochte es nicht, dass
sie so laut miteinander redeten und lachten, als gehöre das Geschäft ihnen. Irgendwie störten sie das Verkaufsgespräch. Da ist man gerade dabei, ein Bett zu verkaufen, redet von Sprungfedern, berät ein junges Paar und drückt behaglich eine Kuhle in die Matratze, und wer schlendert vorbei? Der dürre Blonde vielleicht, der mit der leicht schmutzig wirkenden Bräune, der auf dem Rückweg vom Klo gerade seinen Reißverschluss richtet.
    Nicht dass sie etwas gegen Männer gehabt hätte. Zu Hause hatte sie zwei erwachsene Söhne und war es gewohnt: die gute Laune, die Gleichgültigkeit und das Durcheinander. Obwohl sie manchmal, wenn sie sich in der Küche umdrehte, schockiert war von ihrer schieren Körpergröße – all die Proteine und Kohlehydrate, die Muskeln und die Milch, so als hätte sie ein paar Topfpflanzen gepflegt und Triffids großgezogen.
    Dann kam sie eines Morgens zur Arbeit, und die Männer waren verschwunden. Alles war tipptopp, der Teppichboden frisch und neu, die Holzverkleidung hatte sich in Luft aufgelöst, und in der Mitte der Etage befand sich ein Paar Rolltreppen, eine, die sich nach oben, und eine andere, die sich nach unten bewegte. Die Stufen ruckten leicht, wenn sie sich bewegten; den ganzen Tag schoben sie sich ineinander und lösten sich wieder. Das alles tickte an Kittys Augenwinkeln vorbei, sodass sie sich, je nach Lichtverhältnissen, ausgeglichen oder schwindelig fühlte. Sie waren so sauber. Die Rolltreppe, die nach oben führte, bestieg sich selbst, Stufe um Stufe, die Rolltreppe, die nach unten führte, floss wie Sirup und versank langsam im Boden.

    Sie waren schön, sie blieben niemals stehen, und schließlich gingen auch sie ihr auf die Nerven. In der Bettenabteilung passierte nie etwas. Die Leute kauften ein Bett oder ließen es bleiben. Kitty mochte die Weiträumigkeit, inmitten derer die Matratzenblöcke wie Hügel und die Kopfteile wie Grabsteine auf einem riesigen Friedhof wirkten. Wer hat in meinem Bettchen geschlafen? Aber ihre Zufriedenheit war längst dahin. Die Art, wie sich die Leute mitten im Gewühl hinlegten und zusammenrollten. Die alten Ehepaare, die auf den Rändern der Matratze saßen und sich beinahe scheu über die Schulter hinweg ansahen, das Gekicher und das Schweigen. Die meisten Leute, die ein Bett erstanden, so hatte sie früher immer gedacht, waren verliebt oder hofften zumindest, Liebe zu finden. Nun aber hüpften sie bloß auf und nieder, legten ihre schmutzigen Füße hoch oder sahen aus, als wären sie gewillt, für eine anständige Nachtruhe Mord und Totschlag zu begehen.
    Eines Abends war Kitty zu Hause und erledigte gerade den Abwasch, als das Telefon läutete. Es war ein junger Mann, der sagte, er suche einen gewissen Kevin Daly. Kitty war im Telefonbuch als K. Daly verzeichnet und wollte nicht allzu viel von sich preisgeben. Sie antwortete, es gebe
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