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Alles was du wuenschst - Erzaehlungen

Titel: Alles was du wuenschst - Erzaehlungen
Autoren: Anne Enright
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Restaurant mit roten Samtvorhängen, weißen Leinentischdecken und teuren, geziert lächelnden Kellnern, spielte mit meinem Fischmesser und fragte mich: Wozu das alles? Danach gingen wir zu ihm, und ich spürte, wie mitten im Sex die Migräne einsetzte. Es hätte nett sein können – ich hab nichts gegen Sex -, aber mit der beginnenden Migräne kam es mir vor, als befinde er sich weit weg von mir, und jeder Stoß ließ mein Hirn flackern, bis ich ganz klein war und mich irgendwie auf dem Grund meines eigenen Brunnens zusammenrollte.
    Natürlich war er sehr fürsorglich und bestand darauf, mich nach Hause zu fahren. Die Männer sagen immer, sie wollen zwanglosen Sex, aber wenn man Vielen-Dankgute-Nacht sagt, sind sie zutiefst beleidigt, meiner Erfahrung nach. Er strich mir über die Wange und fragte, ob er mich wiedersehen könne, und als ich Ja sagte, entsperrte er mit einem Fauchen und einem Klicken die Zentralverriegelung und ließ mich gehen.
    In der Küche trank ich vier Tassen superstarken schwarzen Kaffee und ging ins Bett. Und wartete.
    Am nächsten Tag kam irgendwann Fintan ins Zimmer und zog die Vorhänge zu, weil ein schmaler Lichtstrahl hereinfiel. Als er das Licht ausgesperrt hatte, war ich so
froh, dass ich anfing zu weinen. Eine Migräne ist etwas Unglaubliches. Man liegt da und kann es nicht glauben. Man liegt da, starr vor Unglauben, wie ein Atheist in der Hölle.
    Fintan machte es sich auf einem Stuhl neben dem Bett bequem und begann mir etwas vorzulesen. Ich hatte nichts dagegen. Ich hörte alles und verstand alles, trotzdem rauschten die Wörter an mir vorbei. Er hielt mein Exemplar von Alice im Wunderland aus Kindertagen in den Händen, und ich fragte mich, ob die Farben früher auch schon so kräftig gewesen waren: Alice’ Haar ein schreiendes Gelb, der Flamingo in ihren Armen rosa gefiedert.
    Er kam zu der Stelle, an der es um die drei kleinen Schwestern geht, die auf dem Grunde eines Brunnens lebten – Hilde, Else und Trine. Und wovon lebten sie? Von Karamell.
    »Das ist aber nicht gut möglich, oder?«, bemerkte Alice dazu sanft, »sie wären ja auf Dauer krank davon geworden.«
    »Das waren sie auch«, sagte die Haselmaus; » sehr krank sogar.«
    Ich lächelte, von Selbstmitleid überschwemmt. Und plötzlich roch ich es, klar und deutlich, es roch nach Karamell, es war wie ein Witz. Das ganze Zimmer war voll davon. Süß und verbrannt. Eine Erweiterung der Luft: ein Kieselstein, der in den Teich meines Hirns gefallen war und der dafür sorgte, dass, als die letzte Kräuselung sich geglättet hatte, der Schmerz verschwunden oder zumindest im Verschwinden begriffen war. Der Schmerz war wieder bloße Möglichkeit.

    »Oh«, machte ich.
    »Was?«, fragte Fintan.
    Im Halbdunkel sah er mich an. Da läutete unten das Telefon. Ich wollte aus dem Bett steigen, doch Fintan hielt mich zurück, einfach durch die Art und Weise, wie er neben mir auf dem Stuhl saß.
     
    Ein paar Wochen später hatte ich Streit mit ihm, schob lautstark sein schmutziges Geschirr in der Küche zusammen. Möglich, dass Fintan ein Problem mit Wasser hat. Möglich, dass alle Männer ein Problem mit Wasser haben. Eines Tages wird man das dafür verantwortliche Gen ausmachen, in der Zwischenzeit aber wünsche ich mir ein besseres Leben.
    Natürlich verteidigt sich Fintan nie, sodass es bei dem Streit stets um etwas anderes geht – etwas, das sich nicht recht fassen lässt. Es geht um alles.
    Ja, wollte ich sagen, er ist verheiratet. Allerdings lebt er ganz und gar – auch gerichtlich – getrennt von einer Frau, die immerzu krank ist; von einer Tochter, die intelligent ist, aber nicht essen mag; und von einer weiteren Tochter, die sein ganzer Stolz und seine ganze Freude ist. Ich mochte ihn, er gab sich Mühe. Jedes Mal, wenn wir uns trafen, brachte er mir ein Geschenk mit, das zwar meist nicht nach meinem Geschmack, aber doch »geschmackvoll« war, klein und teuer, wie ein Moment aus einem Fünfzigerjahre-Film. Und im Bett herrschte erstaunliche Dunkelheit. Das musste einfach erwähnt werden. Wenn er sich von mir wegdrehte, hatte ich das Gefühl, dass er über nichts nachdachte, dass es keine Worte in seinem
Kopf gab. Er rollte die Augen dann in ihren Höhlen, und die zunehmende Dunkelheit war ihm eine Wonne. Es war, als sähe man einem Mann beim Sterben zu. Es war, als hätte man Sex mit einem Tier.
    Nichts davon erwähnte ich, als ich die Pfanne, in der Fintan sich Rührei gemacht hatte, auf das Abtropfbrett knallte. Auch
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