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Alles was du wuenschst - Erzaehlungen

Titel: Alles was du wuenschst - Erzaehlungen
Autoren: Anne Enright
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einen Mucks von sich gab. Sie schlossen ihre Schlafzimmertür und waren verschwunden.
Völlige Stille. Hinterher saß er im Wohnzimmer und musterte uns. Wambui blieb draußen im Flur und telefonierte den ganzen Abend, was auch eine Art war, damit umzugehen. Ich sprach aus, was mir als Erstes in den Sinn kam.
    »Mein Gott«, entfuhr es mir, als ich aus dem Bad kam. »Warum sieht Pflegespülung eigentlich immer wie Sperma aus?«
    Am nächsten Morgen war die Pflegespülung verschwunden. Volltreffer. In so was war ich gut, obwohl ich selbst nicht gerade viel Erfahrung in Sexdingen hatte. Ich meine, ich hatte schon manchmal Sex – zumindest in jenem ersten Trimester -, und es machte mir auch Spaß, aber irgendwie brachte es mich immer durcheinander. Zum Beispiel schor ich mir den Kopf kahl. Allerdings hatte ich das schon länger vorgehabt. Doch als ich anderntags aufwachte, beschloss ich, jetzt sei der Zeitpunkt gekommen, mir den Kopf kahl zu scheren. Als der Typ mich in der Mensa erblickte, hätte er sich am liebsten weggeduckt. Buchstäblich. Er zuckte zusammen und suchte den Boden nach einem Besteck ab, das ihm heruntergefallen sein mochte. Wie auch immer. Ich brachte ihn dazu, es noch einmal mit mir zu machen, mit Glatze, danach wollte ich nichts mehr von ihm wissen. Aber die Stoppeln gefielen mir. Eine Zeit lang sah ich ziemlich flott aus mit meinen Borsten und der kleinen schwarzgold bestickten islamischen Gebetsmütze, die ich mir in einem Secondhandladen gekauft hatte.
    Um mir den Kopf kahl zu scheren, hatte ich Karens Rasierer benutzt. Das war ihr offensichtlich nicht entgangen,
denn am nächsten Tag hatte sie ein neues, elektrisches Ding da, und all die alten Einwegrasierer lagen im Abfalleimer. Keine von uns beiden verlor ein Wort darüber, aber so was macht einen doch ganz fertig, man möchte sich regelrecht erschießen, sich geradezu einen Kopfschuss verpassen. Oder es ist einem völlig schnuppe. Wie zum Beispiel das Wissen, dass Li mir ein Höschen gestohlen hatte, ein schlichtes Baumwollhöschen, das sie eines Abends vor meinen Augen in ihre Schublade stopfte.
    »Scheiße«, sagte Karen, als ich ihr davon erzählte. »Echt jetzt?«
    Niemand von uns hatte je Lis Unterwäsche zu Gesicht bekommen. Wir sagten uns, vielleicht hat sie gar keine, doch dann entdeckte Karen unter ihrem Schreibtisch ein Paar Socken, die in Billigplastikschuhen steckten. Sie waren aus durchsichtigem Nylon, wie Kniestrümpfe, aber kürzer. Wie Strumpfhosen, die nur bis zu den Knöcheln reichen.
    »O Gott, fass die bloß nicht an«, sagte Karen. »Ach je, was sollen wir nur mit ihr anstellen?«, fragte sie. »Was machen wir nur gegen diesen Gestank?«
    Es war ziemlich offensichtlich, dass Li ihre Kleider nicht wusch, denn erst in der Vorwoche hatte sie mich gefragt, wie die Waschmaschinen funktionierten. Wir starrten hier also auf drei Monate. Allerdings muffelten die Socken gar nicht mal so schlimm – irgendwie trocken, alt und geschlechtslos.
    »O mein Gott«, sagte Karen. »O mein Gott.«
    Früh am Morgen, als Li im College war, hatten wir uns in ihr Zimmer geschlichen. Karen wollte möglichst schnell
wieder raus, dabei machte Li nie blau. Sie gebrauchte erstaunliche Wörter wie »Katalepsie« und »Dramaturgie«. Sie kam aus China und sprach besser Englisch als ich. Sie war neunzehn.
    Ich öffnete eine ihrer Schreibtischschubladen und stellte fest, dass sie voller Tabletten war. Reihen um Reihen kleiner Plastikdöschen mit chinesischen Etiketten. Ich probierte eine orangene und eine purpurfarbene. Sie waren riesig und schmeckten nach Talkum.
    »Komm jetzt«, sagte Karen, die sich am Türgriff festhielt und auf und ab wippte, als müsse sie pinkeln. Karen studierte Jura. Wenn es damit nichts würde, wollte sie Immobilienmaklerin werden. Ich musste sie fragen, was eine Maklerin sei, und als sie mir antwortete, eine Maklerin verkaufe Häuser, kam ich mir ziemlich bescheuert vor, aber nicht so bescheuert wie sie, die sie Häuser verkaufen wollte.
    Je mehr ich sie mochte, desto mehr brachte sie mich zur Raserei. Sie sagte, Wambui sei eine Lesbe, weil sie eine Freundin hatte, die ständig bei ihr übernachtete. Ich sah sie einfach nur an. Jedes Mal, wenn ich mich über Karen ärgerte, kam mir das Wort »Intimspülung« in den Sinn. Sie konnte sauber nicht von dreckig unterscheiden. Spülung, Spülung, Spülung! Stattdessen sagte ich: »Weißt du, überall auf der Welt schlafen Mädchen zusammen in einem Zimmer, und kein Mensch verliert
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