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Alles ist erleuchtet

Alles ist erleuchtet

Titel: Alles ist erleuchtet
Autoren: Jonathan Safran Foer
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Großvater, um ihm zu sagen, dass er bei unserer Reise der Fahrer sein würde. Wenn Sie wissen wollen, wer der Führer sein würde, dann sage ich Ihnen: Es würde keinen Führer geben. Vater sagte, dass ein Führer keine unvermeidliche Sache war und Großvater von seiner Zeit bei Heritage Touring einen Haufen Zeug wusste. Vater nannte ihn einen Spezialisten. (Damals, als er das sagte, klang das sehr vernünftig. Aber was für ein Gefühl hast du jetzt dabei, Jonathan, im Schein von allem, was passiert ist?)
    Als wir drei, die drei Männer mit dem Namen Alex, uns abends im Haus meines Vaters versammelten, um uns wegen der Reise zu unterhalten, sagte Großvater: »Ich will das nicht. Ich bin verrentet, aber nicht, damit ich so einen Mist aufführen muss. Das hab ich hinter mir.« »Mir ist egal, was du willst«, sagte mein Vater. Großvater schlagte mit großer Kraft auf den Tisch und rief: »Vergess nicht, wer wer ist!« Ich dachte, das war das Ende der Unterhaltung, aber Vater sagte etwas Abweichendes. »Bitte.« Dann sagte er etwas noch Abweichenderes. Er sagte: »Vater.« Ich muss zugestehen, es gibt so vieles, das ich nicht begreife. Großvater kam zu seinem Stuhl zurück und sagte: »Das ist das letzte Mal. Ich tue es nie mehr.«
    Also machten wir einen Plan, wie wir den Helden am 2. Juli um 15 Uhr nachmittags am Bahnhof von Lwow aufnehmen würden. Danach würden wir zwei Tage in der Gegend von Lutsk vertreiben. »Lutsk?«, sagte Großvater. »Du hast nichts von Lutsk gesagt.« »Er will aber nach Lutsk«, sagte Vater. Großvater versank in Denken. »Er sucht das Städtchen, aus dem sein Großvater kam«, sagte Vater, »und eine Frau, die er Augustine nennt und die seinen Großvater aus dem Krieg gerettet hat. Er will ein Buch über das Städtchen seines Großvaters schreiben.« »Oh«, sagte ich, »dann ist er intelligent?« »Nein«, korrigierte mich Vater. »Er hat einen zweitklassigen Kopf. Das amerikanische Büro hat uns informiert, dass er jeden Tag mit ihnen telefoniert und viele halb kluge Fragen nach genießbarem Essen stellt.« »Auf jeden Fall gibt es doch Wurst«, sagte ich. »Natürlich«, sagte Vater. »Er ist nur halb klug.« An dieser Stelle muss ich wiederholen, dass der Held ein sehr genialer Jude ist. »Wo ist dieses Städtchen?«, fragte ich. »Es heißt Trachimbrod.« »Trachimbrod?«, fragte Großvater. »Das ist beinahe fünfzig Kilometer von Lutsk«, sagte Vater. »Er besitzt eine Karte und ist voll Hoffnung, dass er die Lage findet. Es wird nicht schwer sein.«
    Als Vater zur Ruhe gegangen war, sahen Großvater und ich noch mehrere Stunden Fernsehen. Wir sind beide Menschen, die sehr verspätet wach bleiben. (Ich war nahe daran zu schreiben, dass wir beide es genießen, verspätet wach zu bleiben, aber das ist nicht wahrheitlich.) Wir sahen ein amerikanisches Fernsehprogramm, bei dem die Worte auf Russisch am unteren Rand des Fernsehers zu sehen waren. Es ging um einen Chinesen, der einfallsreiche Dinge mit einer Bazooka machte. Wir sahen auch den Wetterbericht. Der Wettermann sagte, dass das Wetter am nächsten Tag sehr unnormal würde, aber am Tag danach würde es wieder normal. Zwischen Großvater und mir war eine Stille, die man mit einem Krummsäbel hätte schneiden können. Nur einmal teilte einer von uns etwas mit, als er sich während einer Reklame für McDonald's McPorkburger zu mir drehte und sagte: »Ich will nicht zehn Stunden zu einer hässlichen Stadt fahren, um einen sehr verwöhnten Juden zu bekümmern.«

    Am 18. März 1791 drückte Trachim B.s doppelachsiger Wagen seinen Besitzer auf den Grund des Flusses Brod oder auch nicht. Die W.-Zwillinge waren die Ersten, die das seltsame Treibgut an der Oberfläche auftauchen sahen: sich schlängelnde Schlangen aus weißer Schnur, ein knittriger Samthandschuh mit ausgestreckten Fingern, leere Garnspulen, leutselige Pincenez, Hirn- und Brombeeren, Fäkalien, Rüschen, die Scherben eines zerschmetterten Zerstäubers, ein Stück Papier, auf das in ausblutender roter Schrift ein Vorsatz geschrieben war: Ich werde... ich werde...
    Hannah weinte. Chana watete in das kalte Wasser, zog die Beine der Kniehose an den Stoffbändern hoch und schob die an die Oberfläche treibenden Gegenstände des Lebens beiseite. Was machst du da?, rief der entehrte Wucherer Jankel D. und hüpfte auf die beiden Mädchen zu, dass der Uferschlamm spritzte. Er streckte eine Hand nach Chana aus, während er mit der anderen wie immer die inkriminierende
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