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Alles ist erleuchtet

Alles ist erleuchtet

Titel: Alles ist erleuchtet
Autoren: Jonathan Safran Foer
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wundertätige Putzmittel ansah, »welche war noch mal die Sprache, die du dieses Jahr an der Universität studiert hast?« »Nenn mich nicht Schapka«, sagte ich. »Alex«, sagte er, »welche Sprache hast du studiert?« »Englisch«, sagte ich. »Und bist du gut?«, fragte er mich. »Fließend«, sagte ich, denn ich hoffte, ihn damit so stolz zu machen, dass er mir die ZebraPolsterbezüge kaufen würde, von denen ich träume. »Ausgezeichnet, Schapka«, sagte er. »Nenn mich nicht so«, sagte ich. »Ausgezeichnet, Alex. Du wirst alle Pläne, die du für Anbruch Juli hast, für nichtig erklären.« »Ich habe keine Pläne«, sagte ich. »Doch, hast du«, sagte er.
    Es ist jetzt geziemend, Großvater zu erwähnen, der auch dick ist, aber noch mehr als meine Eltern. Also gut, ich erwähne ihn. Er hat goldene Zähne und viele Haare im Gesicht, die er jeden Abend kämmt. Er hat viele Jahre in vielen Anstellungen geschuftet, hauptsächlich auf den Feldern und später als Maschinenbediener. Seine letzte Anstellung war bei Heritage Touring, wo er in den fünfziger Jahren zu schuften angefangen und bis vor kurzem ausgedauert hat. Jetzt ist er verrentet und lebt in unserer Straße. Meine Großmutter ist zwei Jahre vorher an einem Krebs im Gehirn gestorben, und Großvater ist sehr melancholisch und blind geworden, sagt er. Vater glaubt ihm das nicht, hat ihm aber trotzdem Sammy Davis jr. jr. gekauft, weil eine Blindenhündin nicht nur gut für Blinde ist, sondern auch für Leute, die sich nach dem Gegenteil von Einsamkeit sehnen. (Ich hätte nicht sagen müssen »gekauft«, denn Vater hat Sammy Davis jr. jr. in Wirklichkeit nicht gekauft, sondern sie vom Heim für vergessliche Hunde gekriegt. Darum ist sie auch keine echte Blindenhündin und außerdem geistig verstört.) Großvater hockt die meiste Zeit des Tages in unserem Haus herum und sieht Fernsehen. Er schreit mich oft an. »Sascha!«, schreit er. »Sascha, sei nicht so faul! Sei nicht so wertlos! Tu etwas! Tu etwas Wertvolles!« Ich gebe ihm nie eine Entgegnung, ich nerve ihn nie mit Absichten, und ich verstehe nie, was »wertvoll« heißen soll. Bevor Großmutter gestorben ist, hatte er nicht die unappetitliche Angewohnheit, Klein-Igor und mich anzuschreien.
    Darum sind wir sicher, dass er das nicht mit Absicht tut, und darum können wir ihm verzeihen. Ich habe einmal entdeckt, dass er weinend vor dem Fernseher saß. (Jonathan, dieser Teil über Großvater muss zwischen dir und mir bleiben, ja?) Der Wetterbericht wurde gegeben, und darum war ich sicher, dass es nichts Melancholisches im Fernsehen war, das ihm weinen ließ. Ich habe es nie erwähnt, weil es ein normaler Anstand ist, es nicht zu erwähnen.
    Großvaters Name ist auch Alexander. Zusätzlich auch der von Vater. Wir sind alle Erstgeborene, was für uns eine riesengroße Ehre ist, ungefähr so groß wie bei den Sportarten der Baseball, der in der Ukraine gefunden worden ist. Ich werde mein erstes Kind Alexander nennen. Wollen Sie wissen, was geschieht, wenn mein erstes Kind ein Mädchen ist? Ich sage es Ihnen: Er ist kein Mädchen. Großvater wurde 1918 in Odessa gezeugt. Er ist nie von der Ukraine weg gewesen. Das Weiteste, das er gefahren ist, war Kiew, und das war, als mein Onkel »die Kuh« geheiratet hat. Als ich ein Junge war, brachte Großvater mir bei, dass Odessa die schönste Stadt der Welt ist, weil der Wodka dort billig ist und die Frauen auch. Er machte immer Witze mit Großmutter, bevor sie starb, und zwar darüber, dass er andere Frauen liebte, die nicht sie waren. Sie wusste, dass es nur Witze waren, weil sie mit großer Lautstärke darüber lachte. »Anna«, sagte er, »ich verheirate die mit dem rosa Hut.« Und sie sagte: »Wem willst du sie verheiraten?« Und er sagte: »Mir.« Ich saß auf dem Rücksitz und lachte sehr, und sie sagte: »Aber du bist kein Priester.« Und er sagte: »Heute bin ich einer.« Und sie sagte: »Heute glaubst du an Gott?« Und er sagte: »Heute glaube ich an die Liebe.« Vater hat mir befohlen, Großmutter nie zu erwähnen, wenn Großvater dabei ist. »Das macht ihn nur melancholisch, Schapka«, sagte Vater. »Nenn mich nicht so«, sagte ich. »Es macht ihn nur melancholisch, Alex, und dann denkt er, dass er noch blinder ist. Lass ihn vergessen.« Also erwähne ich sie nie, denn ich tue, was Vater mir sagt, außer ausgenommen, ich will es nicht. Außerdem ist er ein erstklassiger Faustschläger.
    Nachdem er mit mir getelefoniert hatte, telefonierte Vater mit
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