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Alles Gold Der Erde

Titel: Alles Gold Der Erde
Autoren: Gwen Bristow
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vor Erstaunen große Augen. »Ich? Wieso denn das?«
    Er antwortete schlicht:
    »Weil Sie ein unschuldiges junges Mädchen sind.«
    Kendra brach in Lachen aus. Sie war ein unschuldiges junges Mädchen, das stimmte; wie hätte sie in ihrem wohlbehüteten Dasein auch Gelegenheit finden sollen, ihre Unschuld zu verlieren? Sie besaß indessen praktischen Verstand. Daß der Captain glaubte, ihre Anwesenheit bringe der Cynthia Glück, fand sie absurd.
    »Ach, Loren«, sagte sie, »Sie werden doch nicht solches Zeug glauben?«
    Loren entgegnete in nüchternem Ton:
    »Kendra, ich spreche von dem, was Captain Pollock glaubt. Ich weiß, daß er einmal einen Passagier von Bord gewiesen hat, weil er der Meinung war, dieser Mensch sei einer von jenen Gesellen, die für sein Schiff nicht gut genug sind. Und jetzt, da er die Cynthia kommandiert, ist er strenger denn je.«
    Da sie noch immer verblüfft war, versuchte Loren, ihr die Situation auseinanderzusetzen. »Für Pollock«, sagte er, »ist ein Schiff ein lebendiges Wesen. Natürlich haben nicht alle Schiffe denselben Wert, ebensowenig wie das bei den Menschen der Fall ist. Viele dreckige Walfangschiffe verdienen nichts Besseres als Schmieröl und Seeleute aus Hafenkneipen. Wenn jedoch ein Kapitän mit einem schönen Schiff wie mit Ausschußware umgeht, ist dies ungefähr so, wie wenn eine schöne Frau mißbraucht wird. Die Frau kann eine solche Beleidigung niemals vergessen. Ein stolzes Schiff auch nicht. Pollock respektiert seine Schiffe nach Gebühr, und sie danken es ihm. Daran glaubt er fest, und er macht daraus gar kein Geheimnis. Wenn andere Kapitäne ihn deswegen auslachen, verweist er nur auf sein Logbuch.
    Und das Merkwürdige ist, daß er sich an Land ganz anders gibt. In den Hafenstädten trinkt er gern, verspielt ein paar Dollar, trifft sich mit Mädchen und läßt Gott einen guten Mann sein. In Honolulu gibt es einen Spielsalon, den er oft besucht. Die Leute behaupten, er himmelte die Empfangsdame an.«
    Kendra war amüsiert und erstaunt. An Bord war Captain Pollock so unnahbar und enthaltsam: sie wünschte, einmal beobachten zu können, wie er mit dieser Empfangsdame umsprang.
    Doch Loren war noch nicht fertig:
    »Er möchte sie aber um alles in der Welt nicht auf der Cynthia haben. Er glaubt, ein Mädchen wie sie würde das Schiff beleidigen, und das Schiff würde dann ihn dafür bestrafen.«
    Loren grübelte eine Weile vor sich hin.
    »Wie gesagt, an Land ist ihm die Gesellschaft von Frauen nicht unlieb. Verheiratet war er übrigens nie. Es ist auch nicht bekanntgeworden, daß er jemals in eine ernste Liebesaffäre verstrickt war. Sein ganzes Leben lang hat er nur Schiffe geliebt. Sein ganzes Leben lang hat er von dem vollkommenen Schiff geträumt. Jetzt hat er es offenbar bekommen.«
    Kendra nickte.
    »Sie nehmen die Sache immer noch nicht ernst? Nun, vielleicht haben Sie recht. Aber ich habe Ihnen diese Geschichte erzählt, weil ich nicht möchte, daß Sie sich hier am Kap Horn Sorgen machen. Captain Pollock versteht sein Handwerk, und da er Sie an Bord hat, ist seine Sicherheit noch größer. So etwas kann eine wirkliche Hilfe sein, Kendra.«
    Kendra blickte ihn an. »Ich bin nicht mehr ängstlich, Loren.«
    Und so war es auch. Ob es nun auf Lorens Erzählung zurückzuführen war oder auf die Selbstsicherheit Pollocks, sie verspürte tatsächlich keine Angst mehr. Den Rest des Tages über lauschte sie dem Knirschen der Taue, dem Knattern der Segel und den Schreien der Matrosen im Sturm. Diese Männer waren stark und geschickt, und Captain Pollock – mochte er auch ein paar sonderbare Eigenheiten haben – war der rechte Mann am rechten Platz. Deswegen würde sich die Cynthia auch erkenntlich zeigen – und nicht etwa deshalb, weil sich eine Jungfrau unter den Passagieren befand.
    An diesem Abend, kurz vor Mitternacht, vernahm Kendra einen Schlag, als sei eine Luke laut zugeknallt worden. Captain Pollock betrat die Kabine und brachte den Geruch von Luft und Meer herein. Seine Nase war so rot wie eine Erdbeere, sein Mantel triefte, und seine Stiefel quietschten beim Gehen. Aber seine blauen Augen glänzten befriedigt, und er glühte förmlich vor Erregung. Er blieb stehen und schüttelte sich wie ein nasser Hund. Bunker Anderson rief ihm zu:
    »Na, Captain, sind wir also glücklich im Pazifik?«
    Pollock nickte. Halb verborgen unter seinem verkrusteten Bart war ein triumphierendes Lächeln wahrzunehmen. Er hatte dies schon früher geschafft, und sein
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