Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Alles Gold Der Erde

Titel: Alles Gold Der Erde
Autoren: Gwen Bristow
Vom Netzwerk:
Bucht von San Francisco erreichen. Mit dem Nest ist es nicht weit her, aber die Bucht ist großartig. Sehen Sie mal.«
    Loren legte seine Hände flach auf den Tisch, die Finger deckten sich, die Daumen waren gegeneinander gerichtet.
    »Stellen Sie sich vor, meine Hände wären die kalifornische Küste und meine Daumen die beiden Halbinseln. Der kleine Raum zwischen meinen Daumenspitzen ist dann der Eingang zur Bucht. Und auf der Innenseite meines rechten Daumens – mit dem Blick über die Bucht aufs Festland – liegt San Francisco.«
    Es verwunderte Kendra, daß San Francisco nach Osten gelegen war. Als pazifischer Hafen sollte die Stadt eigentlich auch ihr Gesicht dem Pazifischen Ozean zuwenden. Loren lachte und meinte, die meisten Leute nähmen das an, aber sie irrten nun einmal.
    Zwei Wochen später segelte die Cynthia in die Bucht und ging vor Anker. Die Fahrt von New York hatte hundertzweiunddreißig Tage gedauert. Das war bemerkenswert schnell, denn die durchschnittliche Reisedauer betrug hundertsechzig Tage. Doch keines von Captain Pollocks Schiffen hatte zum Durchschnitt gehört, und seine schöne Cynthia hatte sie allesamt weit übertroffen. Es hätte Kendra interessiert, ob er noch immer glaubte, dies komme daher, weil die Cynthia ein unschuldiges junges Mädchen mit sich geführt habe.
    Auf jeden Fall war die Reise nun zu Ende. An einem trüben Februartag des Jahres 1848 sah Kendra zum erstenmal San Francisco.

3
    Loren hatte behauptet, die Bucht sei großartig. Kendra fragte sich, wie er zu dieser Ansicht gekommen sei: Sie nahm nichts anderes wahr als unruhige graue Wellen und Nebelstreifen, die gleich einer Geisterarmee vorüberzogen.
    Es war gegen zehn am Morgen. Kendra wartete an Deck, um an Land zu gehen – ein weiter Weg übrigens, denn das Wasser vor San Francisco war so seicht, daß Hochseeschiffe eine Meile außerhalb ankern mußten. Die Luft war feucht, der Wind wehte heftig.
    Sie war allein. Alex hatte sich in einem Boot eingefunden und den Quartiermeister mitgebracht, der jetzt mit Captain Pollock wegen des Proviants verhandelte. Auf Deck hatte der Stiefvater ihr die Hand geschüttelt und Eva mit einem Kuß begrüßt, als wäre sie bloß übers Wochenende fort gewesen. Er liebte seine Frau zärtlich, aber er wäre lieber gestorben, als dies angesichts fremder Leute zu zeigen. Alex war fünfundvierzig Jahre alt und auf eine dunkle romantische Weise schön; er zählte zu jenen Männern, die in Uniform immer gut aussehen. Kendra nahm sich zehn Minuten Zeit, dann stufte sie ihn als einen hochherzigen Langweiler ein.
    Bei Flutwechsel begab er sich mit seiner Frau in einem Armeeboot an Land; Kendra sollte mit den Andersons später folgen. Loren war mit Captain Pollock hinuntergegangen, aber er hatte ihr seinen Fernstecher gegeben, so daß sie sich ein bißchen in der Gegend umsehen konnte.
    Jetzt nahm sie das Glas vor die Augen. Sie erblickte zwei andere Schiffe, eine Brigg namens Eagle, die aus China kam, wie ihr Loren gesagt hatte, sowie eine kleinere Brigg, die Euphemia , die gerade aus Monterey eingetroffen war, wie sie kurz darauf erfuhr. Nahe am Strand entdeckte sie einige kleine Schiffe, die regelmäßig zwischen der Stadt und den an Flüssen gelegenen Viehzüchterfarmen verkehrten. Der Nebel klarte auf, und eine blasse Sonne wagte sich hervor. Kendra betrachtete sich nun das Land.
    Dies also war der Streifen, den Loren mit seinem rechten Daumen markiert hatte. Das Ganze sah wie ein Wirrwarr von Bergen, Unkraut und ein paar Bäumen aus, die von den erbarmungslosen Stürmen gekrümmt worden waren. An der Küste bemerkte sie eine Stelle, wo das Wasser eine halbmondförmige Bucht ausgehöhlt hatte. Rund um diesen Halbmond standen drei Berge und umschlossen ihn wie eine zerbrochene Tasse. Jenseits dieser drei Berge erstreckte sich San Francisco.
    Kendra hatte noch nie eine so steil aufragende Stadt gesehen. Vom Ufer bis zur höchsten Erhebung waren Häuser wahllos verstreut. Die größten Gebäude – Warenhäuser und Handelsniederlassungen – standen am Meer. Sie konnten ungefähr ein Dutzend großer Geschäftshäuser erkennen. Die Leute in San Francisco beschäftigten sich nämlich in erster Linie mit dem Verkauf von Waren für den Pazifikhandel. Ebenfalls in der Nähe des Strandes machte sie sechs schäbige Hütten aus, auf deren Vorderfront das Wort ›Saloon‹ gemalt war. Dort traten Männer ein, während andere davongingen und wieder andere auf Fässern und Kisten
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher