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Alles auf Anfang Marie - Roman

Alles auf Anfang Marie - Roman

Titel: Alles auf Anfang Marie - Roman
Autoren: Ursula Schroeder
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so klebrig war, dass er das Geld garantiert nicht fallen lassen würde. Zusammen betraten wir den Kindergarten, wo wir direkt von Frau Schirmer empfangen wurden, die vermutlich schon die Scheckübergabe herbeisehnte.
    »Du bist spät, Kevin«, stellte sie fest.
    Das focht ihn nicht an. »Aber ich hab das Geld für den Zoo.« Er präsentierte ihr die Münzen, die sie aus seiner Hand klaubte.
    »Gut«, sagte sie. »Dann bringe ich das eben ins Büro. Nehmen Sie doch schon mal Platz, Frau Overbeck. Ich bin gleich bei Ihnen.«
    Bevor ich mich setzte und auf den Präsidenten und seinen überdimensionalen Scheck wartete, hatte ich noch etwas anderes vor. »Zeig mir doch mal euer Badezimmer, Kevin«, sagte ich zu meinem neuen Bekannten. »Ich glaube, du musst dir die Hände waschen.«
    »Wieso?«, fragte er verwundert.
    »Weil deine Finger dreckig sind«, erklärte ich ihm. »Wir machen doch gleich ein Foto. Für die Zeitung.«
    Kevin begutachtete seine Hände. »Das sieht man aber gar nicht.«
    »Das spielt keine Rolle«, sagte ich. Solche Diskussionen hatte ich schon vor zwanzig Jahren geführt. »Wirhaben eine Vereinbarung, und dafür möchte ich, dass deine Hände sauber sind. Und die Arme und das Gesicht auch«, fügte ich nach genauerem Hinsehen hinzu.
    Vermutlich sah er genauso wenig ein, wozu das gut war, wie meine Kinder früher. Der einzige Unterschied war, dass ich diese Aktionen schon morgens zuhause in unserem eigenen Badezimmer durchgezogen hatte, wo die Waschbecken nicht so niedrig waren, dass man einen Hexenschuss riskierte. Während ich Kevin tatkräftig bei der Reinigung unterstützte, gewann ich den Eindruck, dass ein Teil der Dreckspuren nicht mehr ganz frisch war. Eigentlich hätten wir auch seinen Hals noch waschen müssen. Gut, seine Mutter war krank, aber was sagte der Vater dazu?
    »So, fertig«, sagte ich schließlich. Immerhin war ich nicht die Erziehungsberechtigte dieses Kindes. »Jetzt können wir das Foto machen.«
    »Ich muss vorher noch Pipi«, teilte er mir mit und verschwand in dem Nebenraum, wo sich die kleinen Toiletten befanden.
    Ich ging schon mal vor. Pinkeln konnte er ja sicherlich allein. Aber er war erstaunlich schnell wieder bei mir. »Hast du dir auch die Hände gewaschen?«, fragte ich ihn. Alte Gewohnheiten verlieren sich nie so ganz.
    Sein Gesicht drückte Verwunderung aus. »Aber da warst du doch dabei!«
    Weil jetzt gerade die junge Frau von der Zeitung gekommen war und ich auch Bernhard heraneilen sah, diskutierte ich das nicht weiter. Schließlich hatten wir alle Interesse daran, diese Sache fix hinter uns zu bringen und wieder unserer Wege zu gehen. Die Reporterin notierte die relevanten Stichworte, Bernhard entrollte den gigantischen Scheck, und Frau Schirmer kommandierte ein paar Kinder zu uns, die das Foto zieren sollten. Aber dieKinder warfen einen Blick auf Bernhard, fast kahlköpfig, ein Meter neunzig groß, breit wie eine Kühltruhe und wie so oft in schwarzem Anzug mit schwarzem Hemd, und drückten sich scheu aneinander, statt sich fotogen über die neuen Möbel zu freuen, die dieser Scheck ihnen bescheren würde.
    Die Reporterin zückte ihre Kamera und prüfte den Bildausschnitt. »Bitte etwas näher zusammen«, befahl sie, aber wenn wir näher an die Kinder rückten, dann wichen die zurück. Vielleicht könnten wir sie zwischen uns und der Turnhallenwand einklemmen, aber das würde vermutlich auch nicht so gut aussehen. Frau Schirmer hatte ihre liebe Not mit den Kleinen, bis das erste Foto im Kasten war.
    Mit gefurchter Stirn überprüfte die Reporterin das Bild. »Das ist noch nicht so gut«, befand sie. »Vielleicht können wir was anderes machen. Wie wäre es, wenn Sie eins der Kinder auf den Arm nehmen, Herr Braun, und Frau Schirmer und Frau Overbeck stellen sich rechts und links daneben und halten den Scheck?«
    Ich sah, wie Bernhard nervös wurde. »Na«, sagte Frau Schirmer zu den Kindern, »wer von euch möchte denn mal zu Herrn Braun auf den Arm?«
    Dass die Kinder nicht in Panik davonliefen, war alles. Kopfschüttelnd starrten sie Bernhard an, der aus ihrer Warte vermutlich wirklich furchterregend groß und unheimlich aussah. Nur ein Kind trat mutig vor und sagte: »Ich mach das.«
    »Na wunderbar!«, sagte Frau Schirmer sichtlich erleichtert. »Dann komm mal her, Kevin.«
    Wie befohlen, ließ sich Kevin von Bernhard hochheben, Frau Schirmer und ich rahmten ihn freudestrahlend ein, und die Fotografin hob die Kamera. »Ein bisschen lächeln, Herr
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