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Alles auf Anfang Marie - Roman

Alles auf Anfang Marie - Roman

Titel: Alles auf Anfang Marie - Roman
Autoren: Ursula Schroeder
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mal, dann ist es doch umso wichtiger, dass du gesund bist, oder?«
    »Nee«, sagte das Kind schulterzuckend. »Ich kann ja doch nich mit in den Zoo.«
    »Aber wieso denn nicht?«, fragte ich. Inzwischen hegte ich den Verdacht, dass die Mutter tatsächlich ernsthaft krank war, denn sonst hätte sie doch sicherlich ihr Kind nicht mit solchen Dreckspuren an den Armen in den Kindergarten gehen lassen. »Wenn deine Mama wieder gesund ist, dann könnt ihr ja immer noch in den Zoo fahren. Aufgehoben ist nicht aufgeschoben.« Das hatte ich ausgesprochen, bevor mir einfiel, wie ich als Kind solche Weisheiten immer gehasst hatte.
    Auch der kleine Junge hielt offensichtlich nicht so vieldavon. Abschätzig sah er mich an. »Meine Mama fährt nich in den Zoo«, erklärte er mir.
    »Ach so«, sagte ich. Der Regen wurde etwas intensiver. »Könntest du mir den Rest nicht da drinnen erzählen?«
    »Ich geh da nich rein«, sagte das Kind.
    »Aber du kannst doch hier nicht die ganze Zeit sitzen bleiben«, meinte ich.
    »Doch.«
    Irgendwie hatte ich den Eindruck, ich müsste dieser Sache auf den Grund gehen. Manchmal hat man ja so ein Bauchgefühl, und wenn ich auch bei anderen Gelegenheiten irgendwann aufgegeben hatte, bohrte ich dieses Mal weiter. »Und warum willst du nicht?«
    »Wegen dem Zoo.« Sein kleines, trotziges Gesicht wurde immer trauriger. »Weil ich nich mitkann.«
    »Wer fährt denn in den Zoo?«
    »Die andern Schulanfänger. Aber das is schon morgen, und ich hab die sechs Euro nich bei, und dann kann ich nich mit.«
    Schlagartig begriff ich seine Lage. Seine Mutter war krank und hatte vergessen, ihm das Geld mitzugeben, und nun befürchtete er, von der Schulanfängerfahrt ausgeschlossen zu werden. »Ich glaube, ich kann dir helfen«, sagte ich.
    »Glaub ich nich«, widersprach er.
    »Hör mir erst mal zu«, sagte ich. »Ich biete dir ein Geschäft an. Ich gebe dir die sechs Euro. Dafür musst du aber auch was für mich tun.«
    Sein Mienenspiel zeigte deutlich, wie hin- und hergerissen er war. »Eigentlich sagen die, man soll nich auf Leute hören, die einem was schenken wollen.«
    Ach ja. Immer im falschen Moment konnten sich Kinder an so was erinnern. »Das stimmt auch. Ich gebe dirja auch nur das Geld, das deine Mama vergessen hat, weil sie krank ist. Aber ich möchte, dass du mir einen Gefallen tust, und zwar im Kindergarten, wenn alle Erzieherinnen dabei sind. Dann können die sich gleich davon überzeugen, dass das in Ordnung ist.«
    Das hörte sich offensichtlich für ihn schon besser an, während ich inzwischen Zweifel hegte, ob ich diesen etwas dubiosen Ansatz weiterverfolgen sollte. Aber jetzt hatte ich mich da reingeritten, also musste ich da auch durch, denn der Junge zeigte Interesse. »Was denn?«
    »Da kommt gleich ein Mann in den Kindergarten, der wird mit mir zusammen für die Zeitung fotografiert. Wir geben dem Kindergarten Geld für neue Möbel. Und wir hätten gern ein paar Kinder mit auf dem Foto. Deshalb möchte ich, dass du den Mann freundlich anguckst und so tust, als ob du keine Angst vor ihm hast.«
    »Wieso Angst? Ist der hässlich?«, wollte er wissen. »Sieht der vielleicht aus wie ein Vampir?«
    Sah Bernhard aus wie ein Vampir? Jetzt rächte sich, dass ich Lottas Buch noch nicht gelesen hatte, dann wäre ich vielleicht etwas besser informiert. Ich stellte mir Vampire auf jeden Fall nicht so massig vor wie Bernhard, sonst hätten sie bestimmt Probleme beim Fliegen. »Nein, überhaupt nicht«, behauptete ich deswegen. »Aber er wirkt manchmal ein bisschen streng.«
    »Der Hoffmeister is auch streng«, sagte der Junge. »Der verbietet uns alles.«
    »Ich kenne Herrn Hoffmeister nicht«, sagte ich. »Aber der Mann, der gleich kommt, der will dir gar nichts verbieten. Der kommt nur, um fotografiert zu werden, und geht dann gleich wieder.« Ich streckte ihm die Hand entgegen. »Können wir nicht endlich reingehen?«
    Er hob den Kopf und sah mich skeptisch an. »Und ich kriege die sechs Euro für den Zoo?«
    Das Geld hätte ich ihm auf jeden Fall gegeben. Braune Augen zu hellblondem Haar, dieser Kombination konnte ich offensichtlich auch bei fremden Kindern nicht widerstehen. »Na klar. Jetzt musst du mir nur noch sagen, wie du heißt.«
    Das ganze vorher so verzweifelte Gesicht begann jetzt zu strahlen. »Kevin. Und du?«
    Ich holte mein Portemonnaie heraus und zeigte ihm das Foto auf meinem Personalausweis. »Ich bin Marie Overbeck.« Und dann gab ich ihm drei Zwei-Euro-Stücke in eine Hand, die
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