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Alleingang: Kriminalroman (German Edition)

Alleingang: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Alleingang: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Wolfgang Brenner
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Aljazeera ein.«
    Das Bild flackerte. Dann war das Logo des Senders zu sehen, das Marie aus den Nachrichten kannte. Am unteren Bildrand lief Text in arabischen Schriftzeichen. Eine Stimme sprach in einer Marie unverständlichen Sprache.
    »Karl Blau hat sich möglicherweise von seiner Truppe entfernt. Wo genau er sich jetzt befindet, ist unklar. Auch aus den Kommentaren von Aljazeera ist nicht zu entnehmen, ob er sich noch in Kundus oder längst in einer der Hochburgen der Taliban-Kämpfer befindet. Seine Erklärung wird jedoch schon seit Tagen mit großer Spannung erwartet. In der Bundeswehr wird angenommen, dass Oberleutnant Blau dem psychischen Druck des Krieges nicht mehr standgehalten hat und deshalb desertiert ist. Ursprünglich hatte man angenommen, Blau sei unter den deutschen Opfern eines Selbstmordanschlages. Da die Leichen kaum zu identifizieren gewesen waren, hatte seine Einheit ihn für tot erklärt. Doch dann hatte Blau sich telefonisch gemeldet und diese Erklärung angekündigt.«
    Nun sah man über dem arabischen Fließtext einen Tisch, einen Stuhl und eine graue Wand. Es gab nur ein Mikrofon.
    »Es kann nicht mehr allzu lange dauern«, erklärte der deutsche Sprecher. »Es haben sich jetzt viele arabische und westliche Sender zugeschaltet. Alle warten auf die Erklärung des Bundeswehroffiziers Karl Blau, der – so wie es aussieht – vor wenigen Tagen zu den Taliban übergelaufen ist.«
    Doch das Bild blieb unverändert. Die graue Wand. Der Tisch, der Stuhl. Das Mikrofon.
    »Wann kommt er denn endlich?« Felix hüpfte vor Aufregung.
    »Das dauert noch ein bisschen. Vielleicht wird er noch gekämmt.« Bei den Taliban wurde wahrscheinlich kein Wert darauf gelegt, dass ein Bundeswehroffizier auch ordentlich frisiert vor die Kamera trat. Aber Marie fiel keine andere Antwort ein.
    Felix machte sich los. Er lief die Treppe hinauf.
    »Wo willst du hin?«
    »Ich rufe bei meinen Klassenkameraden an. Dass Papa im Fernsehen ist.«
    Marie wollte das nicht. Sie wollte nicht, dass Karls Fernseh-Auftritt in Koserow zu einer Gaudi wurde. Aber sie schaffte es nicht mehr, Felix zurückzuholen. Der Sprecher fuhr bereits fort: »Diese Pressekonferenz, wenn man das so nennen kann, findet an einem geheimen Ort statt. Aus Sicherheitsgründen, wie es heißt. Man befürchtet gegnerische Angriffe.« Er machte eine Pause, um seine letzten Worte wirken zu lassen. »Der Fall Karl Blau ist ja mittlerweile durch die Medien gegangen. Die Bundeswehr ist in Erklärungsnot.«
    Der Sprecher musste die Wartezeit überbrücken. Immer noch tat sich nichts auf dem Bildschirm – mal abgesehen davon, dass die arabischen Schriftzeichen unbeeindruckt am unteren Bildrand vorbeiglitten.
    »Wir hoffen, dass sich Karl Blau wie angekündigt bald zeigt und an diesem Mikrofon Platz nimmt, um seine angekündigte Erklärung abzugeben. Wir können nicht genau sagen, wie viele Menschen in aller Welt darauf warten. Aber es werden wohl etliche Millionen sein. Deshalb können wir es uns auch nur schwer vorstellen, dass die Kollegen von Aljazeera diese Übertragung beenden, ohne dass wir etwas Neues über den Fall des deutschen Deserteurs Karl Blau erfahren.«
    Jemand lief durchs Bild. Eine schwarzhaarige Frau mit einer Kamera. Man hörte aufgeregte Stimmen. Offensichtlich wurde die Fotografin von den Anwesenden zurechtgewiesen.
    Dann kehrte wieder Ruhe ein.
    Aber immer noch war nur ein leerer Tisch zu sehen, an dem Karl Blau gleich Platz nehmen sollte.
    »Ich weiß jetzt nicht, ob wir noch weiter warten wollen«, sagte der deutsche Sprecher etwas genervt. »Vielleicht gibt mir die Sendeleitung mal ein Zeichen!«
    Irgendwo war das Läuten eines Handys zu hören.
    Marie dachte erst, das Handy läute im Haus. Doch dann bemerkte sie, dass es im Fernseher war. Das Läuten hörte sofort auf. Sicher war jemand rangegangen.
    Dann krachte es. Es klang wie ein Silvesterböller. Es dauerte eine Sekunde. Dann erst flogen Tisch und Stuhl und Mikrofon wie Requisiten aus Pappmaschee aus dem Bild. Die graue Wand kippte nach hinten um und öffnete den Blick auf verfallenes Gemäuer. Flammen schossen aus dem Boden.
    Die Kamera schwenkte um. Schwarzer Qualm. Feuer. Menschen liefen durcheinander. Schreie.
    Dann war alles schwarz. Selbst die arabischen Schriftzeichen waren weg.
    »Da ist jetzt was passiert«, sagte der deutsche Sprecher.
    Es erschien das Pausenzeichen des deutschen Senders. Doch nur einen Atemzug lang. Dann war die ›Heute‹-Moderatorin an ihrem Platz vor
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