Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alleingang: Kriminalroman (German Edition)

Alleingang: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Alleingang: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Wolfgang Brenner
Vom Netzwerk:
sich besonders vorsehen musste, nachdem er im Fernsehen gesprochen hatte. Er hatte sich aus seiner Deckung gewagt. Wer weiß, wer alles Jagd auf ihn macht, da wird er doch nicht weiter ständig mit uns telefonieren können, sagte sie sich.
    Dennoch hatte Marie das Gefühl, dass Karl, wie verwirrt er auch sein mochte, immer noch wusste, wie er sich davor schützen konnte, zwischen den Fronten zerrieben zu werden. Das bewies schon allein die Tatsache, dass er sich rechtzeitig von dem Trupp abgesetzt hatte, auf den die Amerikaner dann die Rakete abgeschossen hatten.
    Marie wollte ihre Ruhe haben. Sie wollte abwarten. Marie spürte, dass die Dinge, jetzt, wo sie ins Rollen gekommen waren, sich ihren Weg suchen würden. Sie musste nichts dazu tun. Sie konnte nur zuschauen. Und sie hoffte darauf, dass Karl bald vieles erklären würde. Bis dahin würde sie den Dingen ihren Lauf lassen.
    Felix ließ sich durch den Trubel nicht aus der Fassung bringen. Er schaute ab und zu mal in die Nachrichten – der Junge hoffte eben, seinen Vater im Fernsehen wiederzusehen. Das Gerangel um das Verschwinden Karls interessierte ihn nicht. Wahrscheinlich verstand er es auch nicht.
    Doch eines Tages nach dem Abendessen sagte er plötzlich: »Warum rufen wir Papa nicht an?«
    »Wie sollen wir denn das machen?«
    Felix stand auf und lief in den Flur. Er kam mit dem Telefon zurück und gab es Marie. Er setzte sich zu ihr auf den Schoß – das hatte er schon lange nicht mehr getan. »Egon hat es uns doch gezeigt. Man kann am Display sehen, wer angerufen hat.«
    Marie hatte kein gutes Gefühl dabei. Sie legte das Telefon auf den Tisch. »Ich kann das nicht.«
    Felix nahm sich das Telefon. Mit der Linken hielt er es, mit dem ausgestreckten Zeigefinger der Rechten klickte er sich langsam durch das Menü. »Hier sind die Nummern von Leuten, die angerufen haben.« Er gab Marie das Telefon. Sie sah gleich, dass es sich vor allem um Berliner, Hamburger und Münchner Nummern handelte. Das waren die Nummern der Journalisten, die versucht hatten, sie für ein Interview zu bekommen. Aber eine Handynummer war auch darunter.
    »Papas Nummer ist nicht dabei«, sagte Marie schnell. Sie wollte Karl nicht einfach anrufen – wie eine Frau, die sauer ist, weil ihr Mann zu spät zum Essen kommt.
    »Wirklich nicht?« Der Junge war enttäuscht. Er bettelte: »Schau doch noch mal, Mama!«
    Marie tat Felix leid. Aber sie konnte sich nicht von ihm drängen lassen. Also hob sie den Jungen von ihrem Schoß, legte das Telefon aus der Hand und ging hinaus.
     
    In der Ostsee-Zeitung stand ein großer Artikel über den Fall Karl Blau. Ein naseweiser Journalist, dessen Namen Marie noch nie gehört hatte, behauptete, es gäbe Anzeichen dafür, dass Karl Islamist geworden wäre – eine andere Erklärung könne man, so der Autor des Artikels, auch beim besten Willen nicht dafür finden, dass ein Offizier der Bundeswehr mitten im Kampfgebiet seine Truppe verlässt und zu den Taliban überläuft.
    Der Journalist war wohl, nachdem er mehrmals vergeblich versucht hatte, Marie telefonisch zu erreichen, in Koserow gewesen und hatte sich umgehört. Marie stockte der Atem, als sie las, was der Reporter von den Leuten aus der Gegend zu hören bekommen hatte: Dass die Blaus sich nie richtig eingelebt hätten, dass sie etwas abseits vom Dorf lebten und nie an den Veranstaltungen der Gemeinschaft teilgenommen hätten. Dass die Frau des Offiziers mit niemandem Kontakt pflege und den Einheimischen aus dem Weg ging.
    Das stimmte nicht. Der Autor nannte keine Namen, und Marie fragte sich, welcher Koserower so etwas über sie behauptete. Gut, sie hatte sich in letzter Zeit sehr auf Felix konzentriert, und enge Freundschaften hatte sie in den Jahren, in denen sie auf Usedom lebten, nicht aufgebaut. Aber sie ging den Leuten doch nicht aus dem Weg. Wie kamen sie dazu, so etwas zu behaupten?
    Marie las weiter.
    Der Journalist hatte einen Freund von Karl ausfindig gemacht. Den einzigen Freund des Offiziers, wie es hieß. Ein Einsiedler. Auch ein Außenseiter. Wie die Blaus.
    Egon.
    Egon hatte mit einem Wildfremden über Karl gesprochen? Das konnte sich Marie nicht vorstellen.
    Karl Blau sei ein seltsamer Mensch gewesen.
    Gewesen . Marie musste zweimal hinsehen. Da stand wirklich: gewesen .
    Egon hatte Karl Blau als sehr ernsthaft und verantwortungsbewusst kennengelernt. Aber auch als sehr eigensinnig. Karl habe mit dem, was man gemeinhin dachte, nicht viel anfangen können. Er sei ein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher