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Alleingang: Kriminalroman (German Edition)

Alleingang: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Alleingang: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Wolfgang Brenner
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tot erklären lassen. Es hat eine Feierstunde gegeben und Beerdigungen. Da können Sie im Nachhinein doch nicht sagen, wir konnten die Opfer nicht identifizieren.«
    »Uns tut es ja auch leid, dass wir der Familie Blau solchen Kummer bereitet haben. Aber es ist ja auch für uns nicht alltäglich, dass ein Offizier der Bundeswehr zu den Taliban überläuft.«
    »Das ist interessant, das jetzt von Ihnen zu hören. Hat Herr Blau das denn wirklich getan, Herr Minister? Ist er übergelaufen?«
    »Offensichtlich ist er psychisch mit dem Druck nicht mehr fertig geworden, dem unsere Soldaten in Kundus ausgesetzt sind. Das bedauern wir zutiefst. Wir haben da auch Fehler gemacht. Unsere Verantwortlichen vor Ort hätten bemerken müssen, in was für einem instabilen Zustand sich Oberleutnant Blau befand. Sie hätten ihn …« Der Minister zögerte, dann aber fuhr er fast trotzig fort: »Sie hätten ihn aus dem Verkehr ziehen müssen. Unbedingt. Das haben wir uns vorzuwerfen. Wer da unaufmerksam war, wird die Bundeswehr noch klären müssen.«
    »Sie wollen also für sich persönliche Konsequenzen ausschließen?«
    Der Minister bebte, aber er entgegnete ruhig: »Politisch sehe ich da keine Fehlhandlungen. Das Ganze ist eine Tragödie. Psychologisch, meine ich. Politisch ist alles …«
    Die Moderatorin wollte etwas anderes hören. Sie unterbrach den Minister unwillig: »Aber Herr Blau machte auf uns keinen desolaten psychischen Eindruck. Er schien genau zu wissen, was er will. Und er hat eine Erklärung angekündigt. Was, glauben Sie, wird Karl Blau uns sagen?«
    Der Minister schaute die blonde Moderatorin mit dem arglosen Mädchengesicht an, als spräche sie in einer ihm fremden Sprache. Dann antwortete er tonlos: »Ich weiß es nicht. Ich bin ja kein Hellseher.« Er war kurz versucht zu lachen, ließ es aber lieber. »Ich möchte nur alle eindringlich warnen, die glauben, daraus einen politischen Skandal konstruieren zu können. Der Fall Karl Blau ist menschlich tragisch. Da ist ein Mann, ein guter Soldat, zerbrochen. Das ist nichts für einen Untersuchungsausschuss. Das ist etwas für den Psychiater.«
    Die ZDF-Frau streckte sich. Sie schien dankbar zu sein, dass der Minister ihr die Gelegenheit gab, auch noch darauf einzugehen. »Psychiater – das ist ein gutes Stichwort. Wie wir hörten, ist ein Kamerad von Blau aus Kundus kürzlich zwangseingeliefert worden? Es soll sich sogar um einen Militärgeistlichen handeln.«
    Nun wurde der Minister laut. »Das sind interne Angelegenheiten der Bundeswehr. Ich werde einen Teufel tun und so etwas in aller Öffentlichkeit kommentieren. Wir haben schließlich auch eine Verantwortung unseren Leuten gegenüber.«
    »Herr Minister, Hand aufs Herz! Ist das noch ein Fall Karl Blau oder ist das nicht längst ein Fall Kundus? Ist Karl Blau nur die Spitze des Eisberges? Sind wir kurz davor, in Kundus ein Desaster zu erleben?«
    »Karl Blau ist verrückt geworden. Das ist alles«, erklärte der Minister.
    »Herr Minister, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.«
     
    Maries Telefon stand nicht mehr still. Jetzt wollten alle von ihr wissen, was mit Karl los war. Irgendwann schaltete sie die Mailbox ein, die Karl vor seinem Weggang nach Afghanistan noch schnell eingerichtet hatte.
    Abends hörte sie die eingegangenen Anrufe ab. Es waren ausschließlich Journalisten. Aus dem Verteidigungsministerium kam kein Anruf. Auch von Ernesto Breuninger war nichts mehr zu hören.
    Wenn Marie schlafen ging, stellte sie das Telefon wieder an – falls Karl sich meldete.
    Bis zu seinem Fernsehauftritt hatte er fast jede Nacht angerufen. Marie nahm an, dass er so durcheinander gewesen war, dass ihm diese regelmäßigen nächtlichen Anrufe etwas Halt gegeben hatten. Jetzt hörte Marie jedoch gar nichts mehr von ihm. Sie fragte sich, ob er überhaupt noch am Leben war.
    Marie erschrak, als sie bemerkte, wie kühl sie in Erwägung zog, dass Karl tot sein könnte. Marie war in dieser Hinsicht abgestumpft. Sie hatte Karls Tod erlebt und seine Wiederauferstehung. Jetzt konnte sie nichts mehr überraschen.
    Möglicherweise hatten sie ihn ›geortet‹ – wie er immer sagte. Aber dann hätte Marie sicher etwas davon gehört. So aufgeregt, wie alle waren, seit Karl sich im Fernsehen geäußert hatte, würden sie es im Berliner Verteidigungsministerium wahrscheinlich als eine Befreiung ansehen, wenn sie melden konnten, dass sie ihn endlich zur Strecke gebracht hatten.
    Viel wahrscheinlicher erschien es Marie, dass Karl
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