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Alleingang: Kriminalroman (German Edition)

Alleingang: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Alleingang: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Wolfgang Brenner
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ihr immer fremder wurde? Oder lag es daran, dass sie Karls Entschluss, nach Kundus zu gehen und sie mit dem Jungen allein in Koserow zu lassen, zu verdammen begann?
    Marie öffnete.
    Es war nicht der Postbote. Marie hatte den Mann noch nie gesehen. Er trug das dunkelblonde Haar sehr kurz. Seine Gesichtszüge waren angenehm, er mochte nicht viel älter als sie sein. Aber Marie sah auch etwas Verbittertes. Er hatte Ringe unter den Augen, seine Haut war zwar glatt, aber unter der natürlichen Bräune schimmerte es grau. So als sei der Mann, der da vor ihrer Haustür stand, eben erst nach einem langen Krankenlager wieder auf die Beine gekommen.
    »Sie sind Frau Blau?«
    »Ja.« Sie nahm unwillkürlich etwas Abstand. Die Tür öffnete sie nur so weit, dass es noch nicht unhöflich war.
    »Ich heiße Theobald. Gunter Theobald.« Er streckte seine Hand aus und lächelte. Jetzt wirkte er gar nicht mehr so verbittert. Eher etwas hilflos. Fast sanft. Viel zu sanft für jemanden, der gegen Mittag an den Türen von Hausfrauen klingelte, um ihnen ein Zeitschriftenabonnement oder einen Handyvertrag anzudrehen. Marie rührte sich nicht.
    Er zog die Hand mit einem leichten Zucken zurück. Das Lächeln erlosch.
    »Ich bin Ihr neuer Pfarrer.«
    »Mein …«
    »Ich übernehme in den nächsten Tagen die Gemeinde hier und dachte … Na ja, ich wollte mich einfach mal vorstellen. Obwohl …« Er streckte den Hals, um in den Flur sehen zu können. »Ich will natürlich nicht stören.«
    Marie gefiel seine Unbeholfenheit. Sie ließ ihn ein. »Ich mache sowieso gerade eine Pause.«
    Der Besucher folgte ihr zögernd ins Wohnzimmer. Marie räumte die Manuskripte, aus denen sie am Morgen die Geschichte mit dem kleinen Direktor herausgesucht hatte, beiseite und bat ihn, Platz zu nehmen.
    »Ich halte Sie nicht lange auf«, sagte der Pfarrer. »Wie gesagt: Ich wollte bloß guten Tag sagen.«
    Dafür, dass er als Geistlicher die sturen Küstenbewohner betreuen sollte, war dieser Gunter Theobald reichlich scheu, fand Marie.
    »Sie halten mich nicht auf. Ich bin froh, wenn mich jemand von der Arbeit ablenkt. Allzu oft bekommen wir keinen Besuch.«
    Jetzt klang sie schon wie eine Grüne Witwe, die die Stunden nicht rumkriegte, bis ihr Gatte von der Arbeit nach Hause kam. »Mein Mann ist … im Ausland tätig. Ich bin mit dem Jungen allein.« Das klang auch nicht besser. Sie suchte doch keinen Hausfreund, sie wollte sich einfach nur ein bisschen unterhalten. Die Gespräche mit einem Achtjährigen waren nicht immer so, dass sie eine erwachsene Frau zufriedenstellten.
    »Wie alt ist er?«
    »Mein Mann?«
    Theobald wurde rot. Er sah jetzt aus wie Felix, wenn er etwas ausgefressen hatte. »Ich meinte Ihren Jungen.«
    »Der ist neun Jahre alt. Er geht in die dritte Klasse.«
    Herr Theobald schien sich etwas zu entspannen. »Schön.«
    Was war denn daran schön, wenn ein Junge in die dritte Klasse ging?
    »Möchten Sie einen Tee?«
    Er beugte sich vor. »Ich möchte Ihnen keine Umstände machen.«
    Was für ein eigenartiger Mensch! »Ich brühe mir sowieso um diese Zeit immer Tee auf.« Das stimmte zwar nicht. Aber wenn sie diesem Theobald nicht seine Befangenheit nahm, steckte er sie noch damit an. Sie ging in die Küche und stellte Wasser auf. »Schwarzen oder Kräutertee?«, rief sie.
    Sie sah, dass er sich leicht erhob, um zu antworten. »Was Sie nehmen.« Dann ließ er sich wie nach einer Kraftanstrengung wieder auf die Eckbank plumpsen. Das Kissen von Felix machte ein eigenartiges Geräusch. Marie war froh, dass sie jetzt nicht im Zimmer war – sicher war Theobald schon wieder rot geworden. Dabei war er doch ein recht attraktiver Mann. Ob sie ihn so verunsicherte? Oder war er immer so?
    Da sie es unhöflich fand, in der Küche zu warten, bis das Wasser kochte, kehrte sie ins Wohnzimmer zurück und nahm zwei Tassen aus dem Glasschrank.
    Theobald räusperte sich. »Ihr Mann …«
    Marie hielt inne. »Ja?«
    »Ist er …« Er hustete verlegen.
    »Er ist bei der Bundeswehr. Momentan ist er in Afghanistan stationiert.«
    Eigenartigerweise schien das ihren Besucher nicht zu überraschen. Normalerweise reagierten die Menschen erschrocken, wenn sie es erfuhren. Die meisten sahen sie wohl schon als Witwe.
    »In Kundus. Das ist im Norden des Landes.«
    »Ja, ich weiß, wo Kundus liegt.« Plötzlich wirkte er sehr konzentriert, so als befänden sie sich endlich auf einem sicheren Terrain.
    »Anfang Juli war er das letzte Mal hier. Und nun warten wir auf
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