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Allein in der Wildnis

Allein in der Wildnis

Titel: Allein in der Wildnis
Autoren: Anne LaBastille
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weichen Linien, das natürliche Braun, die stolze Zurückgezogenheit, das ungebrochen Urwüchsige eines Adirondack-Bären — eines echten, prä-menschlichen, selbständigen Bären.«
    Wie weit es mit meiner Selbständigkeit her war, würde sich nun zeigen.

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Daheim

    Nach mehreren Jahren Ehe mit dem Besitzer einer Ferien-Lodge in den Adirondacks, nach all der Hektik und der unaufhörlichen Arbeit mit Sommergästen, Personal, acht Ferienhäusern, einem Speisesaal, vierzehn Kaminfeuern, einem Dutzend Hotelzimmern, Pferden, Booten, Vertretern, Köchen und Bäckern, sah ich dem Umzug in mein Blockhäuschen mit einer Mischung aus Angst und Vorfreude entgegen. Ein dramatischer, einschneidender, allerdings auch therapeutischer Lebensumschwung würde es sein. Ein Rückzug in wirkliches Alleinsein in einer Waldhütte.
    Wenige Schritte von meiner Hintertür entfernt begann mein »Hinterhof« — stattliche zwanzigtausend Quadratkilometer groß. Der Adirondack-Park ist größer als jeder andere Staats- und Nationalpark in den Vereinigten Staaten und zweifellos das ausgedehnteste Reststück an Wildnis östlich des Mississippi. Er gliedert sich in zwei etwa gleich große Hälften. Die eine davon ist Staatsland und durch Gesetz seit 1894 als »Wildnis für ewige Zeiten« geschützt. Hier darf kein Haus und keine Straße gebaut, kein einziger Baum gefällt werden, und Jagd und Fischerei werden von der Umweltschutzbehörde des Staates New York streng kontrolliert.
    Die andere Hälfte des Adirondacks, wie ein weitläufiges Puzzle mit dem Staatsland verzahnt, ist Privatland und gehört Ortsansässigen wie mir sowie kommerziellen Unternehmen und großen Holzgesellschaften. Aber auch diese Hälfte ist noch sehr naturbelassen und wild. Viele Privatländereien sind von öffentlichen Wanderwegen und Kanu-Routen durchzogen, enthalten Strände, öffentliche Bootsanleger, Jagd- und Fischgründe, nebst den wenigen dünngesäten Siedlungen, Dörfchen und ein paar Kleinstädten. Städte im eigentlichen Sinn gibt es in den Adirondacks nicht. Die verstädterten Ballungsräume außerhalb der magischen »blauen Grenze«, die den Adirondack-Park umzieht, heißen im Mund der Einheimischen abweisend »Draußen«. Diejenigen von uns, die im Park leben und ihn lieben, nennen ihn die »Nordwälder«. Die Adirondack-Parkverwaltung sucht den Charakter des Staatslandes als »Wildnis für alle Zeiten« zu schützen und das Wachstum auf den Privatbesitzungen durch zwei weitsichtige regionale Landnutzungspläne unter Kontrolle zu halten. Diese Landnutzungspläne versprechen den Erhalt der Eigenart dieser außergewöhnlichen Region — für »Eingeborene« und für Leute von »draußen« gleichermaßen.
    Dennoch, dumme gespenstische Gedanken wirbelten mir vor dem Einzug durch den Kopf. Rechts und links grenzt mein Grundstück an zwei weitere, jeweils über zwanzig Hektar große bewaldete Privatparzellen. Hinten grenzt es direkt an ein riesiges Wildnisgebiet von zweihundert Quadratkilometern, wo es keinerlei Straßen und Häuser gibt, und jenseits des Black Bear Lake liegt ein weiteres Wildnisgebiet von zweihundertvierzig Quadratkilometern. Würde es gefährlich sein, in solcher Abgeschiedenheit zu leben? Was, wenn nachts ein unerwünschter Vagabund einbrach? Zwar gab es am Seeufer verstreut noch ein paar private Sommerhäuser, aber niemand würde mich hören, wenn ich um Hilfe rief. Dichter Wald, Wind und Wasser schirmten mich wirksam von Nachbarn ab. Was, wenn ein wilder Bär in meine Freiluftküche einstieg, den Kühlschrank aufbrach, Gasleitungen auseinanderriß? Bären sind in den Adirondacks häufig und haben eine notorische Vorliebe für duftende Küchen und Abfallgruben. Was, wenn ich ausrutschte und mir ein Bein brach? Ohne Telefon, Funk oder Auto gab es keine Möglichkeit, Hilfe zu holen. Der nächste Arzt und die nächste Klinik befanden sich vierzig Kilometer entfernt im Dorf Lake Serene, was bei gutem Wetter eine Fahrt von mindestens fünfundvierzig Minuten bedeutete. Bange Gedanken, wie gesagt, die mir vor dem Einzug durch den Kopf gingen.
    Andererseits lockten mich unbeirrbar Visionen von ungestörten Vormittagen, am Schreibtisch verbracht, von stillen Abenden im Schaukelstuhl am Ofen, von einem einfachen und zurückgezogenen Leben in mein neues Heim.
    Am ersten Abend saß ich draußen im Freien auf der Bootslände, gebadet von einem goldenen Sonnenuntergang. Ein Roststärling krächzte seinen Ruf von einem Erlenbusch, und oben
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