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Allein in der Wildnis

Allein in der Wildnis

Titel: Allein in der Wildnis
Autoren: Anne LaBastille
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Freiluftküche baute ich ein Spülbecken mit Kaltwasserhahn ein. Ungefähr siebzig Meter von der Hütte entfernt gab es ein Toilettenhäuschen mit abnehmbarem Sitz (den man im Winter zum Aufwärmen mit in die Hütte nehmen konnte). Zu meiner Überraschung lieferte mir ein wohlmeinender Nachbar, der achthundert Meter seeaufwärts wohnte, eines Tages »frei Bootsanleger« eine riesige Emailbadewanne mit Löwenfüßen (er hatte sie wohl schon seit Jahren loswerden wollen). Zu viert schleppten wir das Ungetüm das Ufer hinauf bis unter die Hütte. Da ich noch keinen diskreten Platz für die Wanne und auch noch keine Heißwasseranlage hatte, degradierte ich sie zunächst zum Lagerbehälter für die Motorsäge, deren Zubehör und den Benzinkanister. Eines Tages würde ich vielleicht ein Heißwassergerät installieren und im Keller ein Bad bauen.
    Am ersten klammen Augustmorgen im Gefolge einer kanadischen Kaltfront konnte ich mir ausrechnen, daß sich mein Wassersystem im Herbst und Winter in einen einzigen Eisblock verwandeln würde. Ich mußte mir also ein neues Verfahren zur Wasserversorgung und zum Brandschutz ausdenken.
    Eines Abends, als ich in meiner Schlafkoje lag, hörte ich in dem Zwischenraum zwischen Dach und Deckenbrettern ein suchendes Kratzen und Rumoren. Angespannt lauschte ich. Plötzlich ein Luftzug, der mir übers Gesicht wischte, Flügelgeflatter. Eine Fledermaus! Ich wußte, daß sie mich dank ihres hervorragenden Sonarsystems nicht berühren würde, und machte leise das Fenster auf. Einen Augenblick lang schwirrte die Fledermaus ziellos umher, dann fand sie die Öffnung und wischte hinaus. Eine halbe Stunde später das gleiche Spiel mit einer anderen Fledermaus. Es schien, als hätten sie sich hier häuslich eingerichtet. Ich wollte ihren strengen Kotgeruch in der Hütte nicht und hatte keine Lust auf Wiederholung der etwas entnervenden Nachtakrobatik. Am nächsten Tag nahm ich eine Leiter und suchte im Gesims und unter dem First nach Löchern. Damit die Fledermäuse nicht unter dem Dach eingesperrt wurden und dort starben, mußte ich warten, bis sie abends ausgeflogen waren, ehe ich die Löcher zustopfte. Die Versiegelung muß Erfolg gehabt haben, denn nie wieder flogen Fledermäuse durch mein Schlafgemach. Oft habe ich mich gefragt, wohin sie nun geflogen sein mochten, nachdem sie ihr kostenloses Logis versperrt fanden.
    Weitere wilde Mitbewohner, gegen die ich etwas hatte, waren Mäuse. Selbst die niedlichen Knopfaugen und der makellose Bauchpelz der kleinen Weißfußmaus und das elegant-plüschige Fell der rotrückigen Wühlmaus weckten bei mir keine Gegenliebe oder Gastfreundschaft. Ich fand ihren Mist in der Zuckerschale und in der Reisschachtel, ihre Nagelöcher in handgestrickten Sweatern und Wolljacken. Mäuse waren eindeutig »persona non grata«. Mausefallen mit Erdnußbutter aufzustellen, gehörte bald zur Abendroutine wie das Zähneputzen. Eine zusätzliche Abdichtung der Außenwandspalten mit Zement machte aus der Mäusedauerabsteige bald ein Mäuse-Motel für höchstens eine Nacht.
    Während ich meine tierischen Nachbarn allmählich kennenlernte, kamen, einer nach dem anderen, auch menschliche Sommernachbarn vorbei, um mich am See willkommen zu heißen und eine Tasse Camp-Kaffee zu trinken. Nach Adirondack-Tradition fallen solche Besuche meist in den Spätnachmittag. Die Besucher kommen mit einem Guideboot, Kanu, Motorboot, Wasserflugzeug, Segelboot oder auf Wasserskiern, wobei es die Etikette verlangt, daß sie am Landesteg warten (nachdem sie sich geräuschvoll bemerkbar gemacht haben), bis der Besuchte zu ihnen herunterkommt und sie ins Haus bittet. Dies ist gleichbedeutend mit der Stadtsitte, zu klingeln und zu warten, bis aufgemacht wird.
    Eines Morgens traf zu meiner Überraschung gegen neun Uhr ein Mann an der Lände ein. Er machte das Boot fest und schritt schnurstracks zur Hüttentür. Heftiges Klopfen signalisierte mir, daß es Ärger geben würde. Und tatsächlich: Fünf Minuten später war meine Traumhütte zusammengebrochen. Ich wurde davon unterrichtet, daß der Anwalt, der den Grundstückskauf abgewickelt hatte, gegen mich klagen wollte. In meinem Vertrag, der die Erwerbsurkunde begleitete, stand eine Klausel, wonach kein Gebäude näher als 15,25 Meter (50 Fuß) am Seeufer stehen durfte. Diese Klausel hatte ich gebrochen — meine Hütte lag nur 11,60 Meter vom See entfernt. Ich war wie vom Donner gerührt! Törichterweise hatte ich den Vertrag überhaupt nicht gelesen
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