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Allein in der Wildnis

Allein in der Wildnis

Titel: Allein in der Wildnis
Autoren: Anne LaBastille
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(er war ellenlang und voller Juristenchinesisch). Das Land war verfügbar, erschwinglich, wild und schön gewesen. Rasch entschlossen hatte ich gekauft und gebaut, um schnell ein Zuhause zu haben. Und dank der Wahl eines baumlosen Bauplatzes hatte ich keine großen Bäume fällen müssen.
    Der Anwalt blieb hart. Keine Rechtsbeugung am Black Bear Lake. Die Hütte mußte verschoben oder abgerissen werden, sonst drohten gerichtliche Schritte. Bei meiner derzeitigen Seelen- und unsicheren Lebenslage fehlte mir die Kampflust und der Mut, mich vor den Kadi ziehen zu lassen.
    Eine rasche Rechnung ergab, daß die Hütte rund dreizehn Tonnen wog — ein gewaltiges Transportgewicht. An den Ecken wurden die Wandblöcke von massiven Eisenbolzen zusammengehalten, so daß man sie nur schwer auseinanderreißen oder demontieren konnte. Weiter zeigte sich, daß drei, vier große Fichten geschlagen werden mußten, wollte man die Hütte vom See wegschieben. Mein Pakt mit den Bäumen würde dann gebrochen. Außerdem: Verschob man die Hütte von der Kuppe weg, würde sie in Hanglage zu stehen kommen, ein Ende hochgestelzt, statt an den Boden geschmiegt wie jetzt. Mir schien, daß sie nur unter außergewöhnlichem Aufwand abgerissen oder verschoben werden konnte und daß in beiden Fällen der Wald und das Land schwere Wunden davontragen würden.
    Kein Bitten, keine Argumente zugunsten der Bäume, keine Umweltethik konnte den Anwalt von seiner kleinlichen Forderung abbringen. An diesem Punkt erwarb ich eine tiefe Verachtung für den »Buchstaben des Gesetzes«. Und wenn die Welt einstürzte: Die Hütte mußte, um dem Vertrag Genüge zu tun, um 3,65 Meter verschoben werden!
    Da kamen eines Tages wie durch ein Wunder drei Freunde zu Besuch. Beim Kaffee schüttete ich meine Sorgen aus. Bis zum ersten November hatte ich Frist für den Verschub der Hütte. Der August war schon alt. Meine Freunde, eine Hotelbesitzerfamilie, sagten, sie würden gleich nach dem Labor Day — also nach dem ersten Montag im September — ihren Betrieb zumachen und mir dann sehr gern helfen. Ned, ein fröhlicher Skandinavier von Geburt, hielt mit seinen Söhnen Sven und Brian auf meiner luftigen Vorderveranda gleich ein Fachpalaver. Pläne zum Verschub des Dreizehn-Tonnen-Blockhauses, professionell wie von Ingenieuren ausgearbeitet, nahmen Gestalt an. Man würde neue Fundamentlöcher graben, sie ausgießen, neue Fundamentpfosten zurechthauen müssen. Lange entrindete Stämme, vom alten zum neuen Fundament reichend, sollten eine Gleitbahn bilden. Brian stellte rasch eine Liste der benötigten Werkzeuge zusammen: hydraulisches Hebezeug, Handwinden, Drahtseile und Ketten, Bugsierstangen, Bolzen, Hämmer, Brechstangen.
    »Keine Bange!« versicherte er vergnügt schmunzelnd. »Das ganze Zeug haben wir bei uns im Hotel. Wenn du einen Spaten hast, kannst du schon Löcher graben, und wenn du eine Motorsäge hast, schon die Gleitbäume fällen. Und schmiere sie auch gleich ein, wenn du irgendwo altes Fett aufzutreiben vermagst.«
    Nach dieser Instruktion fühlte ich mich zum erstenmal seit Tagen wieder frohgemut. Drei Wochen blieben für die Vorbereitungen. Zunächst schlug ich die hohen Fichten, die sich wie Freunde um die Hütte scharten. Jede bekam nach Indianerart ein Gebet mit auf den Weg, ehe sie zu Boden krachte. Bald war der Waldboden von Stümpfen, Wurzeln und Ästen verschandelt. Zeit zum Aufräumen hatte ich nicht. Die acht neuen Löcher waren genauso anstrengend auszuheben, wie es die acht alten gewesen waren. Todmüde schälte ich mich abends aus meiner verdreckten Kluft, fast zu erschöpft, um in die Schlafkoje zu kriechen. Zwei riesige, zwölf Meter lange Gleitbäume wurden gefällt und entrindet. Meine Hände wurden schwielig, schmutzig und harzverklebt.
    Danach fuhr ich nach Lake Serene zu einem Restaurant und einer Tankstelle. An dem einen Ort bekam ich eine Zehnkilobüchse altes Fritierfett, am anderen einen großen Eimer Wagenschmiere. Nun konnten Ned, Sven und Brian kommen.
    Am Labor Day wurde das Wetter rauh und regnerisch. Dennoch traf die Verschubmannschaft ein und zeigte sich besten Mutes.
    »Das haben wir im Handumdrehen«, sagte Ned und gab mir einen tröstenden Klaps auf die Schulter.
    »Im Handumdrehen« umfaßte dann: einen Tag, um die Hütte von den Fundamentpfählen zu lösen und hochzubocken; einen zweiten Tag, um die Gleitbäume zur Hütte zu schleppen und an ihren Platz zu hieven; einen dritten Tag, um sie an den alten und neuen
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