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Allein in der Wildnis

Allein in der Wildnis

Titel: Allein in der Wildnis
Autoren: Anne LaBastille
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auf einer hohen Tanne sangen zwei Purpurgimpel. Schwalben stießen aufs Wasser hinab, jagten Insekten und stickten mit jedem Schnabelhieb kleine Kreise auf den See. Saiblinge stiegen futtersuchend zur Oberfläche, ihre Mäuler Mittelpunkt kontrapunktisch dagegengesetzter, ebenso träger Kreise. Drüben, am anderen Ufer, vierhundert Meter entfernt, watete eine Hirschkuh mit geflecktem Kalb spielerisch durchs flache Wasser. Ihre Wellen ließen die von den Vögeln und Fischen geschaffenen geometrischen Muster in Stücke bersten. Meine Tiernachbarn schienen sich an meiner Anwesenheit nicht zu stören. Trostvoll war es, sie überall um mich zu sehen. Irgendwann in dieser Nacht schreckte ich durch das Klatschen eines Biberschwanzes aus dem Schlaf, und später noch einmal durch das Hämmern eines Spechtes am vorderen Verandapfosten. Diese »Eindringlinge« waren jederzeit willkommen.
    Nach der ersten Woche Hüttenleben beruhigte ich mich. Es war offenkundig, daß mich kaum jemals Menschen oder Bären zu belästigen gedachten. Trotzdem hielt ich meine Büchse — eine Savage, Kaliber .300 — und meine 16er Schrotflinte stets geladen bereit und sicherte nachts die Tür mit einer Kette. Jeden Bissen Abfall, der in Versuchung hätte führen können, brachte ich mit dem Boot auf die örtliche Müllkippe fünf Kilometer vor Hawk Hill. Die meisten meiner Besucher waren reizend. Kanada- und Karolinakleiber, Kohlmeisen und Ammern begannen zur Futterstelle zu kommen, den ganzen Tag singend und tirilierend. Ein munterer Waschbär kletterte nachts auf einen Stumpf und naschte Talg aus dem Vogelfutterbehälter. Keck saßen bald die Rothörnchen über mir in den Tannen und schimpften. Ist das dein Land oder unseres, schienen sie zu sagen. Wie kommst du dazu, unter unseren runden Laubnestern ein klobiges eckiges Holznest zu bauen? Nun, solange immer Sonnenblumenkerne im Futterhäuschen lagen, würden sie mir erlauben zu bleiben.
    Eines Morgens überraschte ich einen Schneeschuhhasen in seiner Sasse, nur sechzehn bis siebzehn Meter von der Hütte entfernt. Er erstarrte. Zehn Minuten verbrachte ich damit, alle Einzelheiten seines weichen braunen Fells (das sich bis zum Winter weiß färben sollte) und seine komischen großen Pfoten (so herrlich zum Laufen auf weichem Schnee) zu beobachten. Kein Wunder, daß er Schneeschuhhase heißt.
    Backenhörnchen huschten durch den Waldsauerklee und die Steinbrombeeren, über bemooste Stämme, unter Sumpfholunderbüsche. Sie wagten sich sogar auf meine Terrasse bis in die Nähe des Geranientopfes, verschmähten die würzigen Blätter aber dann doch. Ganz in der Nähe der Hausrückseite grub sich eines seinen Bau. Drei Wochen dauerte es nach meiner Schätzung, bis die einheimische Tierwelt und ich sich aneinander gewöhnten und ihre Scheu verloren.
    So wasserumschlungen mein Land auch war: Die Versorgung der Hütte mit Wasser erwies sich als problematisch. Seewasser, mit dem Eimer heraufgebracht, reichte fürs Trinken, Kochen und Geschirrspülen, aber ich wollte fließendes Wasser zum Wäschewaschen und zum Feuerlöschen. Bei meinem ersten Versuch drang ich mit dem Bohrmeißel in einer kleinen Senke nahe der Hütte in den Boden ein. Eine Handpumpe, die ich anschloß, förderte freilich nur brackiges Biberwasser zutage, das nach Sumpf und faulendem Holz roch. Ich schraubte ein weiteres Rohrstück an und trieb den Meißel noch tiefer. Ein mächtiger Hieb mit dem Holzhammer ließ das Rohr an der Verbindungsstelle brechen, und der Meißel ging verloren. Nur durch Ausbuddeln, drei Meter tief durch Walderde, Geröll und den verhaßten Ortstein, hätte ich ihn wieder heraufholen können. Ich gab den Meißel auf — und den Gedanken an eine Pumpe.
    Nun suchte ich meinen Wald nach Quellen, Feuchtmulden, Sickerwasser, Rinnsalen ab. Nichts. Ein Brunnenbauer samt Ausrüstung ließ sich nicht herbringen, so weitab von der Straße. Am Ende erstand ich eine Motorpumpe, ein paar Meter Plastikrohr und einen 190-Liter-Tank, den ich auf einer Anhöhe installierte. Mit Wasser aus dem See vollgepumpt, bildete er fortan meinen privaten Wasserturm, der die Hütte versorgte. Als Nebeneffekt ergab die Pumpe mit einem langen Wasserschlauch auch eine wirksame Feuerspritze.
    Die Einrichtung meines Domizils im ersten Sommer war angenehm primitiv, erfrischend spartanisch. Zwei-, dreimal täglich schwamm ich im See (angefangen mit einem kleinen Morgenbad im Evaskostüm) und wusch mir das Haar in dem reinen, weichen Wasser. In die
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