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Allein in der Wildnis

Allein in der Wildnis

Titel: Allein in der Wildnis
Autoren: Anne LaBastille
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steile Ufer hochziehen, in die Luft heben und zum Hüttenbauplatz hinüberschwenken. Viel Muskelkraft war an der Handwinde notwendig. Ich hatte gedacht, von den Arbeiten im Hotel sei mein Körper in guter Form, aber hier bildeten sich bald neue, nützliche Muskeln.
    Ich kam mir wie eine Frau aus der Pionierzeit vor, die hart anpackend die Axt schwingt. Oder wie ein erfinderischer Pioniermann, der Baumstämme mit einer Peavey-Stange — einer Holzstange mit Metallspitze und beweglichem Haken — in die richtige Lage bugsiert. Wie ein fröhliches Pionierkind, das lauscht, wie jeder neue Stamm mit dumpfem »Wumm« in die Kerbe des unteren rutscht. Ich benutzte nur eine Axt zum Einkerben, ein Dachsbeil zur Feinbearbeitung und eine Motorsäge, mit der man zwischen den Stämmen durchfahren, Höcker abraspeln und die Stämme glätten konnte, damit sie paßgenauer aufeinandersaßen. Allmählich lichtete sich die Reihe der Blöcke im Wasser, und auf dem Hügel wuchsen vier Wände empor. Duftende weiße Fichtenspäne übersäten den Grund. In mir schwoll großer Stolz: Da baute ich mir ein Zuhause auf Land, das nie zuvor besiedelt worden war, weder von Roten noch von Weißen.
    Der Tag kam, da alle fünfundvierzig Blöcke aus dem Wasser gezogen waren und sich unter den Tannen ein kleiner quadratischer Bau erhob. Zeit für Fenster und Türen. Ich war es müde, immer über die palisadenartigen Wände hinein- und hinauszuklettern. Mit schrill heulender Motorsäge schnitt ich eine Tür, die zur hinteren Veranda führen sollte, und zwei große Fensteröffnungen aus der Wand. In diese Öffnungen setzten die Zimmerleute Rahmen und installierten behende eine teilverglaste Tür und zwei Panoramafenster. Sie gingen damit um wie mit unbezahlbarem Kristall.
    »Gott helfe uns«, keuchte Bob, »wenn wir eine von diesen Scheiben zerschmeißen, nachdem wir sie mit dem Lastwagen hundertzwanzig Kilometer aus der Stadt geholt und mit dem Boot über den See gebracht haben!«
    Als Dave und Bob die komplizierteren Schreinerarbeiten am Dachstuhl in Angriff nahmen, nagelte ich dicke Sperrholzplatten als Fußboden auf das Bodengebälk. Dann ging ich an das Abdichten der Wände von innen. Statt des traditionellen Wergs oder Mooses kam lockeres gelbes Glasfasermaterial in die Ritzen. Dies, dachte ich, würde besser isolieren als die althergebrachten Stoffe und keine Gerüche abgeben. Das gelbe Fiberglas bildete außerdem einen schönen Farbkontrast zu den grauen Stämmen.

    Nun hatte ich plötzlich ein Heim. Ich hatte eine Tür, die ich der Welt vor der Nase zumachen (und aufmachen) konnte. Es gab Fenster mit schöner Aussicht. Ich hatte vier dicke, isolierte Wände und ein stabiles, gutgeteertes Dach. Eben und waagrecht war der Boden. Da wir schweres Kantholz für Bodenbalken und Sparren genommen hatten, konnte der Fußboden einen gußeisernen Ofen und gewichtige Buchregale und das Dach tonnenschwere Schnee- und Eislasten tragen. Vom See aus sah man die Hütte kaum, so perfekt paßte sie sich mit ihren grauen Rindenwänden und ihrem grünen Metalldach dem Wald an. Und doch lag sie nur knapp zwölf Meter vom Ufer entfernt. Das einzige augenfällige Zeichen menschlicher Aktivität war der kleine improvisierte Anleger für mein Boot und die Furche, die die Rundhölzer beim Heraufziehen aus dem Wasser ins Ufer gerissen hatten. Gewiß müssen die grünbelaubten Ureinwohner des Landes mit wohlwollendem »Gut gemacht« auf mein trutziges Borkenhäuschen herabgelächelt haben.
    Eine Hütte, etwas mehr als dreieinhalb Meter im Quadrat, ist kein Palast. Hunderte von Büchern und einen Schreibtisch mußte ich darin unterbringen, eine Kleiderkommode, Schränke, ein bißchen Mobiliar. Und am wichtigsten: einen Schlafplatz. Ein herkömmliches Bett hätte mich mindestens ein Achtel der kostbaren Grundfläche gekostet. Ich erwog eine Hängematte, ein aus Brettern gezimmertes Klappbett, eine Matratze auf dem Schreibtisch — nichts davon ging. Ich wollte einen gemütlichen Dauerruheplatz haben, wenn möglich doppelt für den Fall, daß es eines Tages jemanden gäbe, der die Hütte mit mir teilte.
    Wieder fielen mir die Pioniere ein. Sie hatten auf erhöhten Hängeböden geschlafen, gewärmt von der aufsteigenden Hitze ihrer Feuerstellen und sicher vor Raubtieren. Eine solch hochliegende Schlafkoje war die Lösung. In die offene Rückveranda zog ich eine Zwischendecke ein und verschloß den entstandenen Raum nach außen mit einem großen Fenster. Über eine an die
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