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Allein in der Wildnis

Allein in der Wildnis

Titel: Allein in der Wildnis
Autoren: Anne LaBastille
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vorbeischwimmen sehen konnte. Eine kleine baumlose Anhöhe in der richtigen Lage bot sich als Bauplatz geradezu an. Hier mußten keine großen Bäume gefällt werden. Würden die aufragenden Riesen auch noch so viele Meter Bau- und Brennholz liefern — ich schwor, keinen einzigen davon zu fällen, außer wenn es wirklich unumgänglich war. Die Bäume und ich sollten Gefährten werden, sollten koexistieren auf dem Land. In diesem Augenblick gelobte ich auch, nie etwas zu tun, das die Seen verschmutzen konnte, die den Grund umkränzten. Die Hütte sollte Südwestlage haben, um möglichst viel Sonne (Wärme und Helligkeit) und Wind (zum Wegblasen der Insekten) abzubekommen. Mein Heim brauchte ein steiles Satteldach, von dem schwere Schneemassen abgleiten konnten. Und vor allem: Es mußte klein genug sein, damit ich es selber bauen konnte.
    Müde vom Marsch durchs Dickicht, setzte ich mich ins Boot, um auszuruhen und mir noch einmal alles zu überlegen. Spätnachmittäglicher Westwind kühlte mich und klärte meine Gedanken. »Westlich vom Wind« — schon hatte ich einen Namen für den Platz. Für mich stand fest, daß ich hier den richtigen Ort und den richtigen Rahmen für eine Hütte in der Wildnis gefunden hatte. Ich wollte und wünschte dieses Land. Jetzt brauchte ich es nur noch zu kaufen, Baumaterialien zu finden, sie hierher zu schaffen und das Blockhaus zu errichten. Eine komplizierte Aufgabe! Da drang in mein sorgenvolles Gedankengewirr leises Zwitschern von Vögeln und beruhigte mich. Die untergehende Sonne malte Glanzlichter auf die Tannen und zog eine Bahn flüssigen Goldes über das Wasser. Ich startete den Außenbordmotor und setzte langsam vom Ufer zurück. Unerwartete Erleichterung und ein richtiges Hochgefühl kamen in mir auf, als ich über den See tuckerte. Ich spürte, daß ein Teil von mir zurückblieb. Mochte auch noch kein Haus dort stehen — ich hatte ein Zuhause gefunden.

    Zwei Tage später bestieg ich bei Lake Serene den Mitternachtszug und fuhr nach New York. Gegen acht Uhr morgens sprach ich dort bei einer alten, angesehenen Anwaltskanzlei vor, wo der Grundstückskauf perfekt gemacht werden sollte. Man bat mich, am frühen Nachmittag wiederzukommen, da der zuständige Anwalt noch nicht im Hause sei. Nervös bummelte ich einen Vormittag lang durch die Ladenstraßen, befingerte mein Scheckbuch und sorgte mich, was ich tun sollte, wenn aus dem Kauf nichts würde.
    Um zwei saß ich vor einem antiken Schreibtisch einem graugesichtigen Herrn in graugrünem Anzug gegenüber. Die schale Büroluft roch nach alten Akten und zu vielen Luncheon-Martinis. Ich hatte es eilig, die Transaktion hinter mich zu bringen und unterschrieb Scheck, Kaufvertrag und Eigentumsurkunde in einem Schwung, ohne irgend etwas zu lesen. Ich dankte dem Anwalt und hastete mit meinen Papieren davon, um den Vieruhrzug noch zu bekommen, zurück in die Berge, zurück an die frische Luft. Nun war ich stolzer Besitzer von neun Hektar Adirondack-Wildnis — des ersten Landes, das ich je im Leben besessen hatte.

    Die Entscheidung, keine großen Bäume auf meinem Land zu fällen, stellte mich bei der Bauplanung für meine Hütte vor ein großes Problem, wirtschaftlich wie logistisch. Bis eine Abfindungsregelung mit meinem Ehemann erreicht war und ich als Autorin einigermaßen Fuß gefaßt hatte, mußte ich sehr sparsam sein. Da es zum Bauplatz keine Straße gab, mußte ich einen Weg finden, alles zum Bau nötige Holz über den See heranzuschaffen. Und mangels Elektrizität mußten alle Arbeiten von Hand oder mit einem transportablen Generator getan werden.
    Zum Glück sind die Adirondacks ein altes Holzfällerland. Amerikanische und frankokanadische Lumberjacks haben hier Abermillionen Laub- und Nadelbäume abgeholzt. Früher — ehe die Adirondacks in weiten Teilen unter Schutz gestellt wurden — schlugen sie Nadelbäume als Masten-, Bohlen- und Pfahlholz, für Fässer und Bretter. Tausende von Hemlocktannen entrindeten sie zur Gewinnung der Gerbsäure, die in der Rinde enthalten ist. Heute schlagen sie Nadel- wie Laubholz als Rohstoff für die Papier- und Zellstoffindustrie, für Furniere und Möbel.
    Vierundzwanzig Kilometer vom Black Bear Lake befand sich eine alte Sägemühle und Holzfirma. Ich fuhr hin und sprach mit Pierre, dem jungen, kantigen, muskulösen Boß. Der Frankokanadier hatte für mein Bauproblem die Lösung. Er wies auf einen mächtigen Stapel Stammholz auf seinem Ladehof, Tannenblöcke, rund fünf Meter lang
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