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Allein in der Wildnis

Allein in der Wildnis

Titel: Allein in der Wildnis
Autoren: Anne LaBastille
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besichtigte ich. Angeboten wurden elegante Chalets; bescheidene Jagdhütten; eine bewaldete Insel für achtzigtausend Dollar; 30-Meter-Grundstücke in Lake Serene selbst; 160 Hektar abgeholzter Wald in Pacht auf Jahresbasis. Nichts davon war für meinen Geschmack und meinen Geldbeutel das richtige.
    Dann hörte ich durch Zufall von einem großen Privatgrundstück an einem See, den ich Black Bear Lake nennen will. Der Besitzer war gestorben, und das Grundstück wurde in drei Parzellen geteilt. Der Black Bear Lake war einer der entlegensten Seen, die noch mit dem Auto erreichbar waren; gleichwohl gab es keine Ringstraße um den See herum. Das müßte für Abgeschiedenheit sorgen, dachte ich. Außerdem fehlten elektrischer Strom und Telefon. Auch das appellierte an mein »Zurück-zur-Natur«-Gefühl. Der Kaufpreis schien sehr annehmbar.
    So fuhr ich denn an einem Frühlingstag Anfang Mai mit meinem Kombi und meinem Bootsanhänger zum unteren Ende des Black Bear Lake. Ich schob das kleine Aluminiumboot ins Wasser, startete mit einiger Mühe den 10-PS-Motor und kreuzte los: vorbei an bewaldeten Uferstrichen, Inseln, Buchten, Landzungen. Weder Weg noch Steg verbanden die unbefestigte Straße, die am öffentlichen Bootsanleger endete, mit dem Grundstück zweieinhalb Kilometer seeaufwärts. Nur hier und da ein Sommerhäuschen oder ein Bootsschuppen im endlosen Wäldergrün. Ich hatte erfahren, daß ganzjährig nur ein älteres Ehepaar hier lebte. Die nächste Dauersiedlung — der Flecken Hawk Hill — lag acht Kilometer westlich hinter den Bergen. Lake Serene lag bereits vierzig Kilometer entfernt.
    Das Boot auf das wilde Ostufer zusteuernd, fand ich eine kleine Bucht mit Sandboden. An einem Schneeballstrauch machte ich fest und bahnte mir durch dickes Gestrüpp und ein Gewirr junger Balsamtannen den Weg zu den Grenzmarkierungen. Sie standen, wie mir der Makler gesagt hatte, in hundertzwanzig Metern Abstand irgendwo zwischen den Granitfelsen an der Seebucht und der Mündung eines Bächleins. In der anderen Richtung, vom Black Bear Lake weglaufend, erstreckte sich Urwald achthundert Meter weit zum Biberteich, einem kleinen Gewässer, das die rückwärtige Grundstücksgrenze bildete. Dahinter lagen Tausende von Morgen geschützter Wald des staatlichen Adirondack-Parks. Kein Zweifel, hier auf diesem herrlichen Stück Land müßte ich Platz für mein Blockhaus finden.
    Hochragende jungfräuliche Weymoutskiefern, Rottannen und Balsamtannen schmückten das Gelände. Die hier heimischen Bäume erfüllten die frische Luft mit aromatischem Duft und seufzten im Wind. Landeinwärts durchmischte sich der Nadelwald mit Laubwald. Riesige Zuckerahornbäume, Buchen und Gelbbirken wuchsen auf dem schwarzen Adirondack-Humus. Viele davon waren an die dreißig Meter hoch, mit halbmeterdicken Stämmen, und ihr Alter betrug hundert, dreihundert oder mehr Jahre. Keine Axt hatte sie je berührt, kein Spaten je den Boden aufgerissen. Das Land hier gehörte weit mehr den Bäumen als den Menschen.
    Auch die das Grundstück begrenzenden Seen zählten zu den natürlichen Merkmalen dieser alten Berge. Aus dem Land herausgesägt durch Gletscher, die vor einer Million Jahren bis vor zehntausend Jahren in eiszeitlichen Schüben die Adirondacks überzogen, sind der Black Bear Lake und Biberteich nur zwei der 2300 Seen und Tümpel dieser Gebirgswelt. Schwere Granitblöcke und Sandbänke markierten das Ufer. Ich wußte, daß der felsig-sandige Boden bis in zwölf Meter Tiefe abfiel. Saiblinge, Ochsenfrösche, Biber und Katzenwelse lebten in dem bernsteinfarbenen Wasser. Keine Umweltverschmutzung schien je seine Qualität verdorben, keine Erosion seine Klarheit getrübt zu haben. Reines, trinkbares Wasser konnte ich mit der hohlen Hand daraus schöpfen.
    Den gesamten Nachmittag verbrachte ich mit Erkundungen: Peilen von Himmelsrichtungen, Blicke durch vorgestellte Panoramafenster, Abschätzen von Entfernungen zwischen Bäumen, Taxieren von Abständen zum See. Bis zum Abend hatte ich eine feste Vorstellung davon, wo die Hütte stehen sollte und wie sie zu bauen war. Sie mußte weit genug vom Ufer entfernt liegen, daß als Abschirmung und Zier zugleich ein kleiner Baumgürtel dazwischen verbleiben konnte: Wie Filigran würden sich die schwarzen Silhouetten der Balsamtannen gegen die wie Glasmalerei leuchtenden Adirondack-Sonnenuntergänge abheben. Aber die Hütte mußte auch nahe genug am See stehen, daß man mal hinlaufen, hineinspringen und einen Biber
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