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Allein die Angst

Allein die Angst

Titel: Allein die Angst
Autoren: Louise Millar
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unausweichliche »Wumm« hinaus, mit dem sie die Wohnungstür schloss. Genau über Debs trampelte sie über den Boden, dann ging der Fernseher an und fiel mit seinem dumpfen Gerumpel die nächsten zwei Stunden wie eine feindliche Macht in Debs’ abgedunkeltes Schlafzimmer ein, während Debs auf dem Rücken lag, ihre Kiefer vom Zähneknirschen schmerzten und ihre Augenhöhlen schwer und wund wurden vom stundenlangen zornigen Starren gegen die Zimmerdecke.
    Allen nahm Debs das Brett aus der Hand; sie zuckte zusammen.
    »Danke. Ich hab’s. Du willst uns nicht zufällig eine Tasse Tee aufbrühen, Schatz?«
    »Gute Idee«, sagte sie munter.
    Debs ging in die Küche, wo ein Karton mit ihren vertrauten braunen Bechern neben einem Karton Porzellantassen von Allens Mutter stand.
    Ja, die Treppe, dachte sie, als sie Teebeutel in die Teekanne von Allens Mutter hängte. Sie hatte sich so sehr auf die Tatsache konzentriert, endlich eine eigene Treppe zu haben, dass sie etwas Entscheidendes übersehen hatte.
    Seitenwände.
    Reihenhäuser haben auch Seitenwände.
    Und jetzt, wo Allen beschäftigt war, würde sie diese Seitenwände näher erkunden.
    »Danke, Schatz«, sagte er, als sie eine Tasse Tee mit einem cremegefüllten Keks neben ihn stellte.
    »Ich nehme mir mal den nächsten Karton vor«, sagte sie bewusst beiläufig. »Wenn du mich hier nicht brauchst?«
    Sie hielt den Atem an. Allen trank seinen Tee und nickte, hatte bereits wieder die Montageanleitung im Blick.
    Debs unterdrückte den Impuls zu rennen, kehrte in die Diele zurück und lud sich einen der Kartons auf, die Allen so sorgfältig mit Farben gekennzeichnet hatte: Orange für Küchensachen, rot für Bücher, orange und rot für Kochbücher. Mit einem gelb markierten Karton (Kleidung) stieg sie die Treppe zu dem großen Schlafzimmer hinauf, das über der Diele und dem Wohnzimmer lag und die ganze Vorderseite des Hauses einnahm. Sie setzte den Karton behutsam auf dem Boden ab, schloss leise die Tür, ging zu den Fenstern hinüber und zog die Vorhänge zu, dass der Raum in einem samtig rosa Schimmer versank.
    Dann kehrte Debs zur Tür zurück und kniete sich auf den Boden. Sie drückte das Ohr fest an die Mauer, die sie mit der Amerikanerin teilte. Die Blumentapete roch nach Staub. Debs schob das Gesicht an der Wand entlang, bis ihr Wangenknochen auf einer Glyzinienranke ruhte.
    »Aaaah«, hätte sie am liebsten ausgestoßen. »Aaaah.« Vor Erleichterung.
    Erst hörte sie gar nichts. Ein winziges Knistern nur.
    Hausstaubmilben, sagte sie sich und presste das Ohr noch stärker an die Tapete. Oder Ameisen.
    Ein Moment verging. Was war denn das? Wenn sie die Luft anhielt und sich nicht rührte, konnte sie ein schwaches Tick-Tick-Tick ausmachen. Wasserrohre vielleicht? Nun, das wäre ja zu verkraften. Die würde sie aus ein paar Zentimetern Abstand wahrscheinlich nicht mehr hören, vom Bett aus ganz sicher nicht.
    So weit, so gut. Sie rutschte noch dichter an die Wand heran und wartete. Eine Minute verstrich, dann die nächste.
    Und die übernächste. Es war nichts mehr zu hören.
    Sie löste den Kopf ein wenig von der Wand und begann, während sie auf weitere Geräusche wartete, die Kleidung aus dem Karton zu sortieren, legte Allens Krawatten auf einen Haufen, seine braunen und seine grauen Socken auf zwei getrennte Haufen.
    Konnte sie ein solches Glück haben? Dass es gar keine …
    » WART KURZ , JEZ , ICH BIN GLEICH FERTIG !«
    Was da gedämpft zu Debs durchdrang, erschreckte sie so sehr, dass sie den Kopf mit einem Ruck von der Wand wegriss; dabei fuhr ihr ein Stich in den Hals.
    Was war denn das? Und wo zum Kuckuck war es hergekommen?
    Sie blieb auf den Boden gekauert und blickte sich nervös um, als stünde die Besitzerin der Stimme bei ihr im Zimmer.
    Debs wartete eine Sekunde, dann drückte sie das Ohr vorsichtig wieder an die Wand. Jetzt hörte sie ein neues Geräusch. Laufendes Wasser. Ein tropfender Wasserhahn? Nein. Heller, wie …
    Das durfte nicht wahr sein.
    Das Rauschen einer Toilettenspülung direkt neben ihrem Kopf warf sie fast auf die Knie zurück. Es folgte ein lautes Gurgeln und Sprudeln in den Rohren.
    Eine Toilette. Das Schlafzimmer nebenan musste ein eigenes Bad haben. Mit einer dicken, fetten, rauschenden Toilette, die sie die ganze Nacht hören würde?
    Debs’ Herz hämmerte in der Brust wie ein Messingtürklopfer. Sie spürte einen Druck im Schädel, als presste jemand ihren Kopf nach unten.
    Plötzlich stieß die Schlafzimmertür gegen
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