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Alle Wege führen nach Rom

Alle Wege führen nach Rom

Titel: Alle Wege führen nach Rom
Autoren: Adalbert Seipolt
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kopfzerbrechenden Beschäftigung
unterbrochen, als in Rosenheim ein junger Herr das Abteil bestieg und seinen
Platz neben der jungen verführerischen Dame einnahm. Als er sich den Mantel
auszog, entpuppte er sich als junger Geistlicher, als Primiziant sogar. Das
sagte er zwar nicht, als er sich mit »Süß« vorstellte; doch eine erfahrene
Klosterfrau erkennt das auf den ersten Blick: dies verschämte Glück in den
Augen, die schmalen Wangen unter der glatten Stirn, dies schüchterne
Entkleiden, wobei er angesichts so vieler forschender Blicke bis unter die
Haarwurzeln errötete, und die makellose Schwärze seines Rockes mußten einem Primizianten
zugehören, der noch ganz in der dünnen Luft vom Tabor zu Hause war und nichts
von den lastenden Nebeln der Täler seines Berufes wußte. Und nun stellte ihm
Satanas gleich eine solche Schlinge, plazierte diese raffinierte Eva neben ihn!
Annaberta seufzte und nahm sich vor, auch über diese Seele ihre wachsame Hand
zu breiten. Als der Primiziant seine Nachbarin übermäßig freundlich begrüßte,
hüstelte die Schulrätin vernehmlich. Primiziant Süß blickte verlegen zu Boden.
Über das Gesicht des Zitronenfalters huschte ein spöttisches Lächeln. O
abgefeimte Eva!

    Hinter Kufstein erschienen zwei Mädchen von der
fortschrittlichen Pfarrjugend, sammelten die Umschläge ein und brachten sie zur
Reiseleitung. Monsignore Schwiefele und Kaplan Schlüter wollten sich in
fieberhafter Neugierde auf die Kärtchen stürzen, doch Herr Birnmoser verwehrte
es ihnen. »Es ist mein Amt, das Ergebnis auszuwerten. Ich werde Ihnen die
Antworten vorlesen.« Kaplan Schlüter wollte aufbegehren und gegen eine solche
Bevormundung des Klerus durch die Laien protestieren, fügte sich aber doch. Er
mußte sich ja seine Spannkraft bis Rom erhalten, wo er dann den Heiligen Vater,
womöglich in einer Privataudienz, über die Mißstände in der Kirche, über die
Schlafmützigkeit der Ordinariate und seine eigenen bahnbrechenden Ideen
aufklären wollte. >Die paar Tage ducke ich mich noch, dann werde ich euch
beweisen, was ich bin<, dachte er sich und knöpfte sich den Rock bis zum
Kragen zu. »Vielleicht können wir die gelungensten Antworten durchs Mikrophon
verlesen, um die Pilger ein wenig zu unterhalten? « schlug Monsignore
Schwiefele vor. Birnmoser nickte.
     
    Und wozu fuhren nun die Pilger in erster Linie
nach Rom? »Um den Heiligen Vater zu sehen!« Natürlich. »Um am Grab des heiligen
Petrus zu knien.« »Um den wahrhaft katholischen Atem der Kirche zu spüren.« »Um
einen Abstecher nach Ostia zu machen.« »Um die sieben Hauptkirchen zu
besuchen.« »Um einmal billig nach dem Süden zu kommen.« (»Das sind mir so die
richtigen Spießbürger«, knurrte der Kaplan.) »Um eine Weltstadt bei Nacht
kennenzulernen.« (»Sollen wir das auch durch den Lautsprecher verkünden?«
fragte Birnmoser. Der Kaplan nickte: »Wir dürfen nicht heucheln.«) »Um daß mich
der Heilige Vater segnet und ich nachher einen schönen Aufsatz schreiben tu.«
»Um die Katakomben zu sehen und einen Geschäftsfreund zu besuchen.« »Um die
Liturgie der Benediktiner auf dem Aventin zu erleben.« (»Könnte von der
Schulrätin sein!«) »Um meinen Glauben zu festigen, im Mittelmeer zu baden und
den Apoll vom Belvedere und die Venus von Lido von Angesicht zu sehen.« (»Nicht
vorlesen!« mahnte der Monsignore. »Warum nicht! Das ist zeitnah gedacht!« gab
der Kaplan zurück. »Meinetwegen«, seufzte Schwiefele. Ihn reute es, dem
Experiment zugestimmt zu haben.) »Um das Grab meines Sohnes in Pomezia zu
besuchen.« Birnmoser schaltete eine Pause der Rührung ein. »Um dem Heiligen
Vater reinen Wein einzuschenken.« (>Kann nur der Kaplan geschrieben haben<,
dachte sich der Monsignore.) »Um klassische Luft zu atmen.« »Um die Kirche
liebenzulernen.« (»Dann bleib lieber daheim!« brummte der Kaplan.) »Um
vatikanische Briefmarken zu kaufen und das Kolosseum zu sehen.« Der Monsignore
ruderte beschwörend mit den Armen, man möge doch das Mikrophon abschalten, die
Antworten würden immer weltlicher. »Warten Sie, hier ist noch eine sehr fromme:
>Um daß ich für meine Waisenkinder viel Segen mit heimnehmen und mit Gottes
Gnade gesund nach Hause kommen tu!< Schön, nicht wahr?« »Schlechtes
Deutsch«, nörgelte der Kaplan. »Aber gut katholisch«, respondierte der Monsignore
und lächelte vor sich hin. Diese Antwort konnte nur von einer stammen, und er
wußte, von wem.
    Es war zwischen Hall und Innsbruck, als
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