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Alle Singen Im Chor

Alle Singen Im Chor

Titel: Alle Singen Im Chor
Autoren: Leena Lehtolainen
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wirklich geglaubt, dass man für Haschisch so viel Geld kriegt?›, hat er gesagt. Woher hätte ich das wissen sollen, ich kenn mich doch auf dem Markt nicht aus! Er hatte mich auch beschissen, genau wie alle anderen, immer. Ich war gar keine Ausnahme für ihn gewesen. Ich hab nach ihm getreten, und als er mein Bein festgehalten hat und mich ins Meer werfen wollte, da hab ich die Axt gepackt und ihm auf den Kopf gehauen. Ich hab überhaupt nichts gedacht. Ich hab nur so eine Art Knacken gehört, und dann ist er ins Wasser gefallen. Sein Kopf hat nur ganz wenig geblutet.»
    Tuulia starrte aus dem Fenster. Ich wusste, dass sie das, was sie getan hatte, vor ihren Augen sah, schon oft gesehen hatte und immer wieder sehen würde.
    «Und dann?»
    Sie erwachte wie aus einer Erstarrung.
    «Dann hab ich die Axt abgewaschen. Die war ja ganz blutig. Jukka lag mit dem Gesicht nach unten im Wasser. Hör auf mit dem Quatsch, hab ich zu ihm gesagt. Er hat sich irgendwie bewegt, vielleicht waren das aber nur die Wellen, die ihn geschaukelt haben, jedenfalls bin ich weggerannt. Vielleicht hab ich die Axt hinter die Sauna geworfen, ich kann mich nicht erinnern. Mir war schlecht. Ich bin auf das Plumpsklo hinter der Sauna gegangen und hab gekotzt. Dann hab ich mir in der Sauna das Gesicht gewaschen. Als ich rauskam, lag die Axt da. Ich hab sie mit der Spitze von meinem Tennisschuh unter den Sockel geschoben und bin schlafen gegangen. Ich war sicher, dass Jukka mich bloß verulken wollte. Am Morgen hab ich die ganze Zeit darauf gewartet, dass er grinsend die Treppe runterkommt, ich hab sogar an seine Tür geklopft, ich war fest davon überzeugt, dass er im Bett liegt und schläft und dass alles nur ein böser Traum war. Aber stattdessen kam Jyri. Ich hab ihm gleich angesehen, dass Jukka doch keine Schau abgezogen hatte …»
    «Du hättest sofort ein Geständnis ablegen sollen. Dann wärst du mit Totschlag davongekommen.»
    «Du hättest mir sowieso nicht geglaubt. Jetzt glaubst du mir ja auch nicht.»
    «Hat denn das noch irgendwas zu bedeuten, was ich glaube? Du hast doch die ganze Zeit versucht, mir verschiedene Storys aufzubinden. Du hast es sehr gut verstanden, mir Sand in die Augen zu streuen, und ich hab mich bereitwillig für dumm verkaufen lassen. Offensichtlich haben meine Eltern mich nach ihrem Vorbild erzogen – ich hab in dir wirklich die Tuulia gesehen, die ich sehen wollte. Du bist bloß zu mir gekommen, um rauszufinden, wie viel ich weiß. Und ich dachte, du wolltest meine Freundin sein. Ich hatte mich ewig nicht mehr so wohl gefühlt.»
    Ich war den Tränen nahe, aber ich musste mich zusammennehmen und die Sache zu Ende bringen. Es fiel mir leicht, Tuulias Aussage zu glauben. Sicher hatte sie das Gleiche empfunden wie ich jetzt. Auch ich war betrogen und ausgenutzt worden.
    «Das war kein Schwindel», sagte Tuulia leise und drehte ihre Tasse zwischen den Fingern. «Ich mag dich. Und ich weiß, dass du mich magst.» Sie sah mich fast flehend an. «Du bist hier, um mich zu verhaften. Warum bist du allein gekommen? Vielleicht hoffst du tief drinnen, dass ich fliehen kann. Gib mir einen Tag Zeit. Ich tu das, was Jukka geplant hatte, ich setz mich ins Ausland ab. Ich hab Jukkas ganzes Geld. Als wir auf die Polizei warteten, hab ich schnell noch das Geld und sein Adressbuch aus seinem Zimmer geholt. Gib mir eine Chance!» Ängstlich und flehend sah sie mich an. Ich wandte den Blick ab, wagte nicht, sie anzuschauen. Ihr Plan konnte gelingen. Wollte ich sie denn wirklich hinter Gitter bringen?
    «Was hast du mit Antti gemacht?»
    «Mit Antti? Gar nichts. Ich weiß nicht, wo er ist. Du glaubst doch wohl nicht, ich könnte Antti was antun?» Tuulias Stimme klang hysterisch. «Du lässt mich also nicht gehen.»
    «Nein. Du bist verhaftet. Pack dein Zeug zusammen, dann fahren wir nach Pasila und nehmen deine offizielle Aussage auf.» Es war sinnlos, die Qual noch zu verlängern.
    Tuulia war schneller als ich. Sie hatte das Brotmesser von der Spüle genommen, dasselbe, mit dem sie die Gurke geschnitten hatte, und legte jetzt ihren Arm um mich, sodass die Messerklinge an meinem Hals lag. Ich spürte die eiserne Umklammerung ihrer kalten Arme, die Kälte des Stahls an meiner Halsschlagader, das heftige Pochen zweier Herzen. Die Zeit schien stillzustehen. Tuulia roch nach Zitronen.
    «Du bist allein und unbewaffnet gekommen», keuchte sie. «Wenn du mich nicht freiwillig gehen lässt, muss ich dich eben zwingen. Geh ganz langsam ins
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