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Alle Singen Im Chor

Alle Singen Im Chor

Titel: Alle Singen Im Chor
Autoren: Leena Lehtolainen
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Schlafzimmer. Da drüben.»
    «Mach keine Dummheiten. Du hast keine Chance! Glaubst du etwa, wir würden den Flugplatz und die Häfen nicht überwachen lassen?»
    «Sei still! Aus diesem Land kommt man immer irgendwie raus. Ich fessle dich, und dann kriegst du einen kleinen Schlag auf den Kopf, viel sanfter als Jukka. Wenn du aufwachst, bin ich über alle Berge.»
    Ich bemühte mich, meinen Atem unter Kontrolle zu bekommen. Unüberlegtes Handeln würde nichts bringen. Tuulia nahm das Messer langsam von meinem Hals. Kurz darauf spürte ich die Spitze zwischen meinen Schulterblättern.
    «Mach den Schrank da auf. Gut. Auf dem unteren Brett liegen zwei Springseile. Geh in die Knie und nimm sie … So. Gib sie mir. Und jetzt gehen wir rüber zum Bett. Leg dich auf den Bauch. Das Messer ist die ganze Zeit zwischen deinen Schulterblättern. Wenn du irgendwelche Tricks versuchst, bist du tot. Ich hab irgendwo gelesen, dass es beim zweiten Mal leichter geht.» Jetzt war die Hysterie in ihrer Stimme nicht mehr zu überhören. Ich kannte diesen Ton, es war das verzweifelte Knurren eines in die Enge getriebenen Tieres. Tuulia war jetzt zu allem fähig.
    Ich beugte mich vor, um mich aufs Bett zu legen. Aus den Augenwinkeln sah ich, dass die Hand, die das Messer hielt, unkontrolliert zitterte. Anstatt mich hinzulegen, trat ich Tuulia gegen den Oberschenkel.
    In den nächsten Sekunden passierte vieles. Das Messer flog in hohem Bogen auf den Fußboden, Tuulia knallte gegen das halb offene Fenster. Koivu und Kinnunen stürmten herein.
    Natürlich war ich nicht mutterseelenallein losgezogen, um eine Mörderin zu verhaften. Ich hatte sogar doppelte Verstärkung dabei, denn selbstverständlich hatte Abteilungsleiter Kinnunen darauf bestanden, an der Verhaftung teilzunehmen. Koivu hatte die ganze Zeit im Treppenhaus gewartet, während Kinnunen sich beim Hausmeister den Reserveschlüssel besorgt hatte, mit dem sie schon während unseres Gesprächs die Tür aufgeschlossen hatten. Ich hatte zuerst allein mit Tuulia reden wollen, weil ich sicher war, dass sie dann offener sprechen würde. Allerdings hatte ich mich schwer ins Zeug legen müssen, um Kinnunen von der Zweckmäßigkeit meines Vorhabens zu überzeugen.
    Kinnunen richtete seine Dienstwaffe auf Tuulias Beine. Tuulia schien das gar nicht zu begreifen, sie versuchte, das Messer in die Hand zu bekommen. Ich sah, wie Kinnunen abdrückte, und ich hatte das Gefühl, die Kugel zu sehen, aus weiter Entfernung, wie sie nicht in Tuulias Bein, sondern in ihre Schulter eindrang und wie Tuulia durch die Fensterscheibe auf den Hof geschleudert wurde. Das Fenster war nur fünf Meter über der Erde. Tuulia hätte den Sturz wahrscheinlich überlebt, aber sie landete auf der Motorhaube eines gerade abfahrenden Nachbarn und rollte von da unter die Räder.
    Jemand schrie. Ich stürzte die Treppe hinunter. Tuulia lag seltsam verrenkt da, aus ihren Mundwinkeln floss Blut. Jemand schrie immer noch und ließ Tränen auf Tuulias Gesicht tropfen. Erst als Koivu mich rüttelte, merkte ich, dass ich dieser Jemand war.
    «Maria! Beatmung hat keinen Zweck. Der Rettungswagen ist schon unterwegs.» Koivu wischte mir sanft das Blut vom Mund, während Kinnunen den Fahrer des Unfallwagens beruhigte.
    Neugierige Nachbarn strömten herbei. Immer noch lief alles wie in Zeitlupe ab, wie ein Film mit verschwommenen und dann wieder klaren Bildern. Kinnunen kam auf mich zu. Der Geruch von Pulverdampf und verkatertem Schweiß, der mir in die Nase stieg, brachte die Wut, die sich in meinem Innern zusammengeballt hatte, zur Explosion.
    «Warum hast du geschossen, du versoffenes Schwein? Da wäre überhaupt nichts passiert, sie ist ja gar nicht an das Messer drangekommen!» Mein rechter Haken traf sein Kinn. Er war so überrascht, dass er hinfiel und halb auf Tuulia landete. Koivu ging dazwischen, ohrfeigte mich, wie man es im Film mit hysterischen Frauen macht. Der Schmerz half mir, für einen Moment alles andere zu vergessen.
    Allmählich gewann ich die Fassung zurück. Der Rettungswagen kam, Tuulia wurde hineingeschoben. Wir versprachen, zur Klinik zu fahren und ihre Personalien anzugeben, sobald wir die Nachbarn beruhigt hatten. Ich ging in Tuulias Wohnung, um meine Tasche zu holen. Darin war mein Tonbandgerät, mit dem ich ihre Aussage aufgenommen hatte. Koivu hatte von Anfang an alles mit angehört, Kinnunen einen Teil. Der Fall war geklärt.
    Ich handelte wie in Trance. Wir brachten Kinnunen nach Pasila, wo er dem Chef
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