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Alle lieben Merry

Alle lieben Merry

Titel: Alle lieben Merry
Autoren: Jennifer Greene
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Steve war sein bester Freund aus der Nachbarschaft, und das nicht nur, weil sich bei ihm früher als beim Rest von ihnen deutliche Zeichen einer beginnenden Glatze zu zeigen begannen.
    Trotzdem musste Jack kontern. “Hey, du bist verheiratet und kannst es jede Nacht machen. Das ist eindeutig einfacher, als Single zu sein.”
    “Was? Du glaubst, verheiratet zu sein heißt, man darf jede Nacht ran? Woher hast du denn derartig illusorische Vorstellungen von der Ehe? Sollte ich jemals wieder in die Versuchung kommen, es mit dieser Institution zu versuchen, hoffe ich, dass einer von euch sich als guter Freund erweist und mir Zyanid verabreicht.”
    Jack teilte die Karten für die nächste Runde aus und wusste sofort, dass er mit diesem Blatt verlieren würde. Vor Jahren hatte er bemerkt, dass er das originelle Problem hatte, über ein fotografisches Gedächtnis zu verfügen. Bei seiner Arbeit war es ein enormer Vorteil, aber für seine Freunde die Hölle. Zumindest beim Pokern. Verständlicherweise wollte keiner mit ihm spielen, wenn er ständig gewann. Jack konnte sein Gehirn nicht ausschalten, aber er tat sein Bestes, seine Fähigkeit auszublenden, damit das Spiel fair war.
    Jedenfalls meistens.
    Er musste einem winzigen Anflug von spielerischem Ehrgeiz nachgeben. Denn er gewann nicht nur gern, sondern hasste es zu verlieren. Bei allem.
    Sein Telefon in der Küche klingelte. Anstatt das Spiel zu unterbrechen, nahm er nur seine Karten mit zum Apparat und klemmte sich den Hörer unters Kinn. Dank der langen Telefonschnur war er beim Ante, dem Mindesteinsatz, wieder am Tisch. Er hatte ein mageres Blatt.
    Steve und Boner hatten nichts, das stand fest. Denn Boner kippte gerade noch ein Bier und Steve rutschte unruhig auf seinem Sessel hin und her. Manchmal waren die Leute leichter zu durchschauen als ihr Blatt.
    “Hey Dad, wie läuft’s?”
    Jack spielte weiter, aber seine väterlichen Alarmglocken begannen zu läuten. Er kannte seine Söhne. Kicker, der mit seinen fünfzehn Jahren fast zehn Zentimeter größer als sein Vater war und durch keine Tür gehen konnte, ohne sich den Kopf zu stoßen, rechnete mit einem Stipendium als Fußballer, damit er aufs College konnte, und war der Auffassung, keine guten Noten zu brauchen. Kicker war, Gott sei Dank, niemand, der unter mangelndem Selbstbewusstsein litt. “Was ist passiert?”
    “Nichts. Überhaupt nichts. Mom hat gesagt, ich soll dich anrufen.”
    Also war die Lage ernst. “Was ist passiert?”
    “Nichts, ehrlich. Ich bin wieder zu Hause.”
    “Von wo …?”
    “Von der Notaufnahme.”
    “Oh. Gebrochen oder verstaucht?” Jack entwirrte die Telefonschnur, setzte noch zwei Dollar und ging wieder zur Spüle, wo der Apparat stand.
    “Weder noch. Mom hat nur darauf bestanden, dass ich ins Krankenhaus gehe. Sie flippt jedes Mal aus, wenn ich Fußball spiele. Dabei haben wir nur ein bisschen hin und her gekickt, weißt du.”
    Was Jack wusste, war, dass er nicht schon wieder Streit mit seiner Exfrau haben wollte. Nach Gesprächen mit Dianne lagen seine Nerven immer blank. Unglücklicherweise spielten die beiden Jungs ihre Eltern gegeneinander aus, und deshalb konnte er, ohne Näheres zu wissen, nicht automatisch Partei für Kicker ergreifen. “Wo genau hast du dich verletzt?”
    “Es ist nur eine Beule am Kopf. Mehr nicht. Aber Mom will wieder, dass ich aufhöre.” Jack ließ sich die ganze Geschichte erzählen. Kevin alias Kicker war der Sportler, und sein Bruder Cooper war der Denker, der ruhige Bücherwurm, derjenige, der ihn mit diesen tiefgründigen braunen Augen ansah und ihm immer das Gefühl gab, als hätte er bei ihm als Vater versagt. Ständig waren Mädchen hinter den Jungs her. Es wäre leichter, wenn die beiden nicht so verdammt gut aussehend wären. Auf Kicker flogen sie wegen seines Charmes und weil er eine Art Fußballstar war, und bei Cooper war es der versonnene Blick, bei dem genauso viele Mädchen dahinschmolzen.
    Für gewöhnlich konnte er immer und überall mit seinen Kindern reden und gleichzeitig Poker spielen, aber als er nun an die Spüle gelehnt telefonierte, fiel sein Blick durchs Fenster auf das Nachbarhaus. Charlie Ross’ Küchenfenster befand sich gegenüber seinem. Da keinen der beiden Männer die Tatsache, dass es keine Vorhänge gab, je auch nur eine Sekunde ihres Schlafs gekostet hatte, konnte Jack in fast alle von Charlies Fenstern sehen und umgekehrt.
    Allerdings war das Haus nebenan seit zwei Wochen finster wie ein Grab gewesen,
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