Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alle auf Anfang - Roman

Alle auf Anfang - Roman

Titel: Alle auf Anfang - Roman
Autoren: Sabine Zaplin
Vom Netzwerk:
wollte er zur S-Bahn und dann in die Stadt, aber sie hat Theater gemacht, warum hat sie bloß so ein Theater gemacht, es war die Maske, bestimmt war es die Maske, seine Mutter konnte das anscheinend nicht ertragen. Breakdown wegen dem Lächeln eines Clowns. Jasper hat das nicht gewusst.
    Er ist losgerannt, wollte sie abschütteln, aber sie zeigte eine erstaunlich gute Kondition. Scheint sich auszuzahlen, das Training im Fitnessclub. Sie blieb dran an ihm. Er wollte den Joker setzen, jetzt erst recht. Es begann, ihm Spaß zu machen. Ein Ghost Family Rennen, aber hey: Das hier war echt. Das waren seine echten Beine, sein eigener Atem. »Hör mir zu!«, rief seine Mutter. Falscher Text, Mama. Hundert Dots Abzug. Zweihundert Dots für Jasper. Der hat gleich alles riskiert. Die Autobahn. Nachts war da nichts los, aber das würde sie nicht wagen. Sie würde hängen bleiben und er käme eine Runde weiter. Also ist er gesprungen.
    Das mit dem Auto war eine Falle. Er kennt das Spiel. Er kennt das System. Auf Wagnis folgt Hindernis. Es kommt darauf an, schneller zu sein. Sich nicht ablenken zu lassen. Jasper war schneller. Das Auto hat sich ablenken lassen. Von der Spur drängen. Das Geräusch war dasselbe wie bei »Car Race«, das er früher gern an Mamas PC gespielt hat, als er noch klein war. Wie eine angeworfene Kreissäge, über der zwei Glaser eine Scheibe fallen lassen. Er hat sich nicht umgedreht. Ist cool geblieben. Vierhundert Dots für Jasper. Alle hat er abgehängt, alle.
    Wie er da hockt am Boden dieser Baumkathedrale. Sieht so ein Sieger aus? Er nimmt die Hände von den Ohren und lauscht. Nichts. Das kennt er nicht, dass nichts zu hören ist, einfach gar nichts. An den Ohren fühlt er sich hochgezogen, er taumelt vor so viel Stille. Eine Falle?
    »Hey!«, brüllt er. »Ist das eine Falle?«
    Al–le, weht es als Echo um die Wipfel.
    Jasper ist blank. Er muss den Joker setzen. Sofort setzt er sich in Bewegung. Da sind Geräusche, endlich wieder. Was für Geräusche? Knacken, Knistern. Zweige unter seinen Sohlen, Laub am Wegrand. Oder? Hinter ihm, neben ihm knistert es, knackt es. Er beginnt wieder zu rennen. Das hier ist zu viel für ihn. Das schafft er nicht. Fremde Geräusche, fremde Stille. Die ist am schlimmsten. Da rennt er lieber davon. Da verliert er lieber ein paar Dots. Da vorn ist die Autobahnbrücke. Am Wegrand davor leuchtet weiß die Maske. Ein Hechtsprung, ein Greifen, er hat sie.
    Zuckendes Blaulicht zerreißt das Nachtdunkel. Das Geländer wächst ihm entgegen. Er zieht sich heran, beugt sich darüber. Unter ihm rast gerade ein Rettungswagen davon. Ein Polizeiauto steht quer auf der Fahrbahn. Männer in orangefarbenen Westen kehren Scherben zusammen. Jaspers Blick fällt mitten hinein in ein Augenpaar. Seine Mutter. Er setzt die Maske auf. Sie wendet sich ab.
Anselm
    Nur einmal und erst spät, beim zweiten Glas, hat sie ihren Mann erwähnt. Fast beiläufig, will es ihm scheinen. Sie sah nicht glücklich aus, er hat einen Blick dafür. Ach komm, Anselm, das hättest du wohl gern.
    Er stellt das Autoradio aus. Aber: sah sie glücklich aus?
    Der dritte Unfallwagen ist inzwischen an ihm vorbeigerast. Scheint was Größeres zu sein. An der nächsten Ausfahrt wird er herunterfahren und auf der Gegenfahrbahn zurück in die Stadt. Ciao, Bella, war schön mit dir.
    Ein Schild taucht auf im Dunkel, wird größer, die Ankündigung einer Raststätte. Sofort bekommt Anselm ungeheure Lust auf einen Espresso. Umkehren kann er dann immer noch. Er hält sich ganz rechts, zählt in Gedanken mit, noch 300 Meter, noch 200. Ein landendes leuchtendes Ufo ist die Raststätte rechts vor ihm. Er setzt den Blinker, überflüssig, da ist niemand hinter ihm. Auch auf dem Parkplatz regt sich nichts. An dessen Ende stehen ein paar LKW, gedämpftes Licht hinter den Scheiben in den Führerhäusern. Früher hat er es sich abenteuerlich gedacht, so zu leben: unterwegs, auf einem Thron über der Straße.
    Er parkt vor dem Eingang zum Ufo, stellt den Motor ab und bleibt noch sitzen, die Arme auf das Lenkrad gelegt. Bläulich schimmerndes Licht hinter den großen Scheiben, zwei Angestellte am langgezogenen Tresen, einer bindet sich gerade die Schürze zu. An den Tischen sitzt niemand. An einem der Tische wird er gleich sitzen. Oder er bleibt am Tresen. Es wird so sein wie ein Bild von Edward Hopper, das Licht, die für sich bleibenden Menschen im Raum, lauter Außerirdische und jeder von einem anderen Stern. Er liebt Hopper, und er
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher