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Alle auf Anfang - Roman

Alle auf Anfang - Roman

Titel: Alle auf Anfang - Roman
Autoren: Sabine Zaplin
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Sammlertrophäe.
    Und wie es wieder auf die Erde wollte, war die Erde nicht mehr da und das ganze Weltall auf links gezogen, umgestülpt. Da hat das Kind sich ein Herz gefasst und sich draufgesetzt und da sitzt es noch und ist ganz allein.
    »Erzähl mir ein Märchen, Mama.«
    »Heute nicht, Fee, der Mama fällt nichts ein. Willst du nicht nach draußen gehen und mit deinen Freundinnen spielen?«
    »Ich gehe nicht raus. Die Nachbarskatze liegt draußen. Tot. Überfahren.«
    »Sie hat bestimmt nicht gelitten. Und ist ein Jahr vorüber, du weißt doch, dann ist sie wieder da. Alles geht weiter.« Alles muss weitergehen.
    »Geht es denn nie zu Ende, Mama?«
    »Nein, mein Kind. Nie.«
Nach der Vorstellung steht Anselm beim Theaterpförtner
    Nacht für Nacht. Auch, wenn er gar nicht gespielt hat. Und er hat meistens nicht gespielt. Im nächsten Jahr wird er hier gar nicht mehr auf der Bühne stehen. Ein neuer Intendant wird kommen, und Anselms Vertrag wurde nicht verlängert.
    Vielleicht wird er vorsprechen gehen. In zugige Kleinstädte fahren, nachmittags zwischen den Proben auf einer fahl beleuchteten Bühne ins Dunkel hinein einen Lear vorsprechen, einen Dorfrichter Adam, das »Wir rufen Sie an« entgegennehmen, irgendwo noch ein Schnitzel essen und mit Sodbrennen wieder heimfahren. Oder er wird sich mit Synchronjobs begnügen. Wenn er sich eine günstigere Wohnung sucht, wird es auch reichen. Und bis es soweit ist, kann er nach den Vorstellungen hier beim Pförtner stehen.
    »Ciao, Anselm, bis nächste Woche.«
    Ein Kollege rauscht an ihm vorbei. Draußen wartet eine Frau auf diesen Kollegen, Anselm hat sie eben schon hier stehen sehen.
    »Und du?«, fragt der Pförtner. »Hast du kein Zuhause?«
    Anselm tut, als ob er lacht.
    »Ehe du fragst«, sagt der Pförtner, »es hat sich auch heute niemand nach dir erkundigt. Auf wen wartest du denn eigentlich?«
    Anselm knöpft seine Jacke zu. »Auf den Anruf aus Hollywood.«
    Das Lachen des Pförtners ist ehrlich. Mit einem Nicken verabschiedet Anselm sich und geht nach draußen. Geht die Straße vorm Theater einmal hoch, einmal wieder herunter. Die Gesichter der Passanten sind falsch. Er wird auch heute sein Spiel verlieren. Sie ist nicht da.
    Langsam geht er ein paar Straßen weiter, wo sein Auto parkt. Steigt ein, zündet den Motor, fährt los. Der Zufallsgenerator der freien Fahrt, die Pole Position an der Ampel, die Lücke in der Spur vor ihm. Auf die Autobahn bis zu ihr wird er nicht fahren. Das ist gegen die Regel und darum neulich schiefgegangen. Seitdem sind sie quitt. Aber nichts spricht gegen eine neue Runde.
    In dieser Nacht fährt er wieder, bis der Tank leer ist. Auch das ist ein Spielzug, ein riskanter sogar. Er kann ihn sich leisten, er hat einen Joker. Er steigt aus, nimmt den Reservekanister aus dem Kofferraum und steckt die Maske in die Jackentasche. Zu Fuß geht er bis zur nächsten Tankstelle. An der Zapfsäule füllt er den Kanister. Im Gebäude hat der Bistroschalter noch geöffnet. Er zahlt das Benzin, bestellt sich einen Espresso und wartet. Zieht die Karten aus der Tasche. Legt sie auf den Bistrotisch. Legt eine Patience nach der anderen.
    Tatsächlich kommt irgendwann eine Frau. Sie ist etwas jünger als Claudia, schätzt er, sie sieht anders aus als sie, aber mit etwas gutem Willen lässt sich eine winzige Ähnlichkeit doch entdecken. Sie reicht ihre EC-Karte über den Tresen. Jetzt ist er an der Reihe. Er setzt die Maske auf.
    »Herzlichen Glückwunsch«, sagt er, »Sie haben soeben eine Tasse Espresso gewonnen.«
    Die Frau sieht zu ihm herüber. Sie lacht. Gewonnen.
    »Ein Espresso für die Dame«, bestellt Anselm. Er nimmt die Maske ab.
    »Wessen E-Mail-Adresse ist das denn?«, fragt die Frau, »die von Ihrem Sohn, oder was?«
    Überrascht sieht Anselm sie an. Langsam, gegen seinen Willen nickt er.
    »Ja, der Bursche«, murmelt er und spürt, wie ihm die Kontrolle über seine Mimik entgleitet, »muss ihm unbedingt mal wieder ein paar Worte mailen.«
    Hilflos versucht er eine Kinogeste. Es hilft. Langsam, ganz langsam unterliegt seine Mimik wieder seiner Kontrolle. Er weiß doch, wie er wirkt. Er weiß das doch. Noch. Die Frau setzt sich zu ihm. Er ist eine Runde weiter. Für diese Nacht zumindest.
    Morgen wird er Jasper eine E-Mail schicken.
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