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Alle auf Anfang - Roman

Alle auf Anfang - Roman

Titel: Alle auf Anfang - Roman
Autoren: Sabine Zaplin
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zerrinnt. »Und das ist Hollywood«, er deutet auf die Espressomaschine, »immer noch alles möglich.«
    »Wenn genug Bohnen drin«, sagt Bela, »Deutschland reicht. Hier gibt Geld für meine Arbeit, zu Hause nur Arbeit. Und Rückweg ist kürzer.«
    »Sieben Jahre?«
    Anselm grinst. Bela nicht. Er sieht an ihm vorbei nach draußen, ins Nachtdunkel über dem Parkplatz.
    »Du siehst deine Familie nicht oft, oder?«, fragt Anselm.
    Bela schweigt. Ohne dass er sich dagegen wehren kann, taucht ein Bild vor Anselm auf, ein Fenster, durch das er in ein Wohnzimmer sieht, auf einen Esstisch mit einer Familie darum, Claudia, wie sie Brot schneidet. Wie sie Holz nachlegt im Kamin, in dem ein Feuer brennt.
    »Weißt du, ob deine Frau dir treu ist?«, fragt Anselm.
    Bela fährt zusammen. »Halt die Klappe.«
    Er steht auf, zieht das Tuch von der Schulter und beginnt wieder, Tassen und Gläser zu polieren. Seine Arbeit, für die er bezahlt wird, denkt Anselm und fasst nach seiner Gesäßtasche, um die Geldbörse herauszufischen. Da steht der andere Kellner hinter ihm.
    »Die Unfallsperre ist aufgehoben«, sagt er, »vielleicht geht doch noch was heute Nacht. Hast du eigentlich was mitgekriegt, Bela?«
    »Nein.« Er sagt es knapp. Zu knapp, findet Anselm.
    »Ich schon«, sagt er und wendet sich Belas Kollegen zu, »da war ganz schön was los. Jede Menge Rettungswagen. Dann kam die Meldung wegen der Totalsperre. Eigentlich wollte ich umdrehen und zurück.«
    Der Kollege nickt. »Jedenfalls ist jetzt wieder alles frei.«
    »Kannst du ja weiterfahren jetzt nach Hollywood«, sagt Bela, ohne Anselm anzusehen. Der hat verstanden. Schluss mit dem Gequatsche. Das Geld auf den Tresen gelegt und aufgestanden. Kurz überlegt er nach einer Abschiedsfloskel. Immerhin hat er eine Menge preisgegeben über seinem Espresso. Schließlich wählt er ein knappes »Ciao«. Das ist international, bekannt in Hollywood und auf dem Balkan.
    »Ciao«, antwortet Bela heiser, immer noch, ohne ihn anzusehen. Anselm hört ihm an, dass auch er weiß, wie viel er preisgegeben hat. Wir werden uns, denkt er, wohl kaum einmal wiedersehen, und nächste Woche hat einer den anderen vergessen.
    Die Hände in den Taschen, geht er auf den Eingang zu. Eigentlich müsste dies jetzt eine Pendeltür sein, aus Holz und übersät mit Einschusslöchern, und im Hintergrund müssten Stahlsaiten angeschlagen werden. Doch es ist eine gewöhnliche deutsche Raststättentür, die sich automatisch zu beiden Seiten aufschiebt, so richtig passend zu den Radiocharts aus dem verdeckten Deckenlautsprecher, die er jetzt zum ersten Mal wahrnimmt.
    Einsam steht Anselms Auto auf dem leeren Parkplatz. Per Fernbedienung entriegelt er die Türen und registriert mit einem Lächeln, wie ihm sein Auto über die Blinklichter zuzwinkert, wie immer. Kurz streift sein Blick die Trucks am Ende des Parkplatzes. Aus zwei der Führerhäuser dringt gedämpftes, warmes Licht nach draußen. Anselm sendet einen stummen Gruß hinüber und will gerade einsteigen, als er zwischen den beiden Trucks eine Gestalt bemerkt. Verwirrt kneift er die Augen zusammen und als er sie wieder öffnet, ist die Gestalt verschwunden. In der Gewissheit, sich getäuscht zu haben, steigt er ein. Wer läuft schon fünf Monate nach Fasching mit einer Clownsmaske herum?
Alma
    Immer noch hat sie die Finger am Lichtschalter, den sie – wann? – vor einer Unendlichkeit wohl gedrückt hat. Seitdem liegt Jaspers Zimmer in hartes Licht getränkt, und alles ist anders, als von ihr geplant. Sie steht im Türrahmen, ihr Blick kreist, wieder, immer wieder. Da ist das Bett, natürlich nicht gemacht, nur die albernen Kuscheltiere aufgereiht vor dem Kopfkissen. Über dem Bett die schrillen Poster mit den Fratzen aus gekauften Alpträumen, wie sie die Musikvorlieben ihres Sohnes nennt. Dabei hatte sie die Wände im Frühjahr erst streichen lassen, in warmem Terracotta, nichts von dessen Wirkung ist noch erkennbar.
    Vor dem Fenster der Schreibtisch, zugeschneit von Bonbonpapieren und Pizzakartons, mitten darin das Notebook und an der Wand der Schrank, aus dem die Hosen und Shirts herausquellen. Sie weiß, dass sie ungerecht ist, sie will es so. Ist er denn gerecht gewesen? Als er davonlief und diesen Unfall provozierte und damit sein ganzes Leben in den Dreck geworfen hat, war das gerecht?
    Sie lässt den Lichtschalter los, lehnt sich an den Türrahmen und schließt die Augen. Sieht sich wieder rennen, über die Terrasse durch den Garten bis zum
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