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All unsere Traeume - Roman

All unsere Traeume - Roman

Titel: All unsere Traeume - Roman
Autoren: Julie Cohen
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er schon immer dazu bestimmt gewesen, dort zu sein. Sie sah, wie sich seine Haare über seiner Stirn wuschelten, wie seine Lippen sich spitzten.
    »Er ist so wunderschön«, sagte sie.
    »Er braucht seine Mutter. Das tun wir beide.«
    Ein kleiner Mensch, völlig neu. Es war der turbulenteste Teil des Jahres, doch sie hatte nichts zu tun, als ihn zu halten, musste nirgendwo sein, außer genau hier und genau jetzt. Er sah zu ihr auf, und er kannte sie, und sie kannte ihn.
    Sie war verliebt, mit allen Gefahren und allem Staunen, das damit einherging.
    »Matthew«, sagte sie. »Er heißt Matthew.«
    Posie ritt auf Jarvis’ Schultern, deswegen musste Romily ihren gemeinsamen Rollkoffer ziehen. Der Zug nach Lon don würde voll sein, doch sie hatten es nicht eilig, und Posie sang ein selbst erfundenes Lied über Rentiere und Motorräder, das Jarvis zum Lachen brachte. Die beiden sahen sie nicht – Claire und Ben und das Baby durch das Schaufenster des Cafés. Romily hingegen schon.
    Claire hielt das Baby. Sie streichelte ihm mit dem Finger über die Wange. Ben saß dicht bei ihnen. Seine Welt war nicht größer als seine Frau und sein Kind. In der Glasscheibe zwischen ihnen und Romily spiegelte sich eine ganze Galaxie aus blinkenden Lichterketten wider.
    Durch die Scheibe war nicht zu hören, was Claire sagte, doch Ben nickte. Sie hoben weder den Blick, noch sahen sie Romily, die keinen Meter von ihnen entfernt dastand.
    Romily sah hin, doch sie verweilte nicht. Sie holte die anderen beiden ein und ließ ihre freie Hand in Jarvis’ Manteltasche gleiten, in der es warm war. Er steckte seine Hand zu ihrer in die Tasche.
    Lieber Matthew,
    Romily sagt, ich soll dir Briefe schreiben, obwohl du noch gar nicht lesen kannst. Ich finde das doof, weil du mich sowieso nicht vergisst, selbst wenn ich den ganzen Sommer weg bin, aber sie hat gesagt, du könntest sie lesen, wenn du älter bist. Sie sagt, das hilft dir dabei, dich an Dinge zu erinnern, die passiert sind, als du noch ein Baby warst, weil man sich später nicht an das erinnert, was man als Baby erlebt hat.
    Also, das ist heute passiert: Wir hatten ein Bong-Wojasch-Picknick im Garten hinter unserer Wohnung. Bong Wojasch ist Französisch und bedeutet gute Reise – es ist nett, wenn man das zu Leuten sagt, bevor sie verreisen. Du hast auf einer blauen Decke auf der Wiese gesessen, und ich habe dir eine Kette aus Gänseblümchen gemacht und sie dir um den Hals gehängt, und du hast gelacht. Erinnerst du dich daran, jetzt, wo ich es aufgeschrieben habe? Du hast deinen Wasserbecher über deinem Kopf ausgeschüttet, und Onkel Ben musste dich umziehen, und dann habe ich dich ein bisschen von dem Kuchen probieren lassen, den Tante Claire extra zu dem Anlass gebacken hatte, und du hast dich total vollgekleckert. Claire hat so getan, als wäre sie sauer, aber das war sie gar nicht.
    Erwachsene sagen immer, nur so zu tun, als ob, ist nur was für Kinder, aber sie tun ständig nur so, als ob, selbst wenn sie wissen, dass ihnen keiner glaubt. Mrs. Kapoor sagt, man soll immer Bei spiele anführen, wenn man versucht, etwas zu beweisen, und mein Beispiel ist heute Morgen, als ich aufgestanden bin und Jarvis so getan hat, als wäre er gaaanz früh zu uns gekommen, dabei konnte jeder Trottel sehen, dass er die ganze Nacht da gewesen war. Ich habe mitgezählt, dass er das schon viermal getan hat. Es macht mir nichts aus. Ich mag es sogar, und Romily auch, denn sie lächelt viel.
    Wie dem auch sei, wir müssen uns daran gewöhnen, die ganze Zeit über zusammen zu sein, denn wir werden zusammen auf Abenteuerfahrt gehen. Die ganze Zeit stelle ich mir vor, wie es wohl ist, wenn wir erst in Brasilien ankommen. Hoffentlich toll, denn sonst waren die ganzen blöden Spritzen umsonst. Jarvis hat versprochen, mir beizubringen, wie man seine Kamera bedient, wenn er nicht arbeitet, und Romily verspricht, dass wir nicht ständig Käfer angucken müssen.
    Du musst für mich auf Ben und Claire aufpassen, während wir fort sind. Ich weiß, dass dir das nichts ausmacht, weil sie deine Mummy und dein Daddy sind. Früher habe ich so getan, als wären sie meine Mummy und mein Daddy, damals, als wir ständig bei ihnen waren, nicht wie heute. Ich habe auch so getan, als würde ich Prunella Ferrari heißen und als hätte ich vierzehn Katzen. Das habe ich aber niemandem erzählt. Ich habe es nicht geglaubt, aber irgendwie habe ich es doch geglaubt, und ich glaube, das ist der Unterschied, wenn Kinder so tun, als
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