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Alien Earth - Phase 1

Titel: Alien Earth - Phase 1
Autoren: Frank Borsch
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einen Augenblick, bevor er seiner Wahrnehmung traute. Er kannte nicht viel von der Welt: Himmelsberg und sechs Monate Ausbildungscamp im Norden Norwegens. Entschlossen schüttelte er die Befangenheit ab, stieg in die nächste Rikscha, wobei er den Fahrern der leer ausgegangen Rikschas entschuldigend zuwinkte, und sagte: »Neo-Bangkok, please.«
    »Nee-bankek?«, kam es zurück.
    Der Fahrer roch nach Schweiß. Rudi störte es nicht. Eine weitere Würze in einer Nacht, auf die er lange gewartet hatte. Und der Schweiß beruhigte ihn. Schweiß kannte er.
    Rudi beugte sich vor. »N-E-O-B-A-N-G-K-O-K«, sagte er langsam und deutlich. So gut er es hinbrachte. Also ziemlich gut, fand er. Sie hatten es ihm im Company-Camp eingetrichtert. Langsam sprechen, jede Silbe betonen. Mehrfach wiederholen. Es fiel schwer, nicht die Geduld zu verlieren, aber die Ausbilder hatten in dieser Hinsicht keinen Spaß verstanden. Die Aufgabe der Company war zu wichtig. Jeder der Flyboys konnte der erste Mensch sein, der das entscheidende Artefakt barg. Die Chance war gering, aber irgendwann würde der Fall eintreten, und dann …
    »Ah, Nee-bankek!«, machte der Fahrer jetzt. »Island of Angels?«
    »Yes.« Ging doch. Die Insel der Engel, von der ihm der bedächtige Jonathan erzählt, nein, vorgeschwärmt hatte. Genau
dorthin wollte er. Zu den Wesen, die so zart waren, dass sie nicht von dieser Welt stammten. Das Nächstbeste zu Aliens.
    Die Rikscha fuhr los, tauchte in das Meer des unmotorisierten Verkehrs ein. Rudi lehnte sich zurück, ließ andere Rikschas, Passanten und Straßen an sich vorbeiziehen, als sähe er einen Film, zu aufgewühlt, um mehr zu tun. Endlich. Es ging los. Er war unterwegs. Frei. Heute Neo-Bangkok, morgen der Flug nach Funafuti und danach …
    Die Rikscha bremste scharf. Sie standen.
    »Neo-Bangkok?«, fragte Rudi den Fahrer.
    Der schüttelte den Kopf. »No. Here, boat! Klongs, then Chao Praya, then Island of Angels!«
    Jetzt bemerkte Rudi das Glitzern zu seiner Rechten. Natürlich. Klongs. Kanäle. Jonathan hatte ihm auch von ihnen erzählt. Und natürlich musste Rudi ein Boot nehmen, um nach Neo-Bangkok zu kommen. Es war eine Insel.
    Rudi bezahlte den Fahrer, fürstlich, nach den allzu überschwänglich ausfallenden Dankesbezeigungen des Mannes zu urteilen, und kletterte in das Boot. Rudi kümmerte es nicht. In Himmelsberg hatte es kein Geld gegeben. Es bedeutete ihm nichts. Für Rudi waren es nur bunte Papierblätter oder sinnlose Zahlen in einem Computersystem.
    Das Boot war offen und vielleicht fünf Meter lang. Ein Frachtkahn mit Elektromotor, der die Engel der Insel belieferte. Rudi fand einen Platz zwischen den Paletten und quetschte sich hinein. Der Mann, dem das Boot gehörte, kletterte mit traumwandlerischer Sicherheit zu ihm, als kenne er - im Gegensatz zu Rudi - keine Übelkeit, nahm ihm einige der hiesigen bunten Scheine ab und machte das Boot los.
    Die matten Lichter Bangkoks blieben hinter Rudi zurück, während sich die grellen Lichter Neo-Bangkoks vor ihm aus dem Dunst und den Wellen schälten. Jonathan hatte nicht gelogen. Sie waren heller als alles, was Rudi je erblickt hatte. Die Amerikaner mussten hinter Neo-Bangkok stecken, es mit Strom und Öl versorgen. Das Boot hüpfte auf und ab, als sie den Fluss, der Bangkok durchzog, hinter sich ließen und auf das offene
Meer des Golfs von Thailand steuerten. Rudi hielt sich an den Paletten fest und konzentrierte sich auf die Etiketten der Waren, um sich von der Übelkeit abzulenken, die ihn überkam. Das Meer war kein guter Ort für Rudi. Er war weder seefest noch konnte er schwimmen. Der einzige Tümpel Himmelsbergs war nicht tief genug gewesen, als dass es sich gelohnt hätte, es zu lernen. Und im Sommer trocknete er sowieso aus. Rudi, der Nichtschwimmer. Es hatte ihn beinahe das Lebensglück gekostet. Ein Flyboy musste seefest sein. Die Luft war das Element des Flyboys. Darunter … kam noch mehr Luft. Nur, irgendwann kam das Wasser, zu 99,999999 %. Zumindest im Revier der Flyboys. Früher oder später, hatte man ihnen eingetrichtert, würde es jeder von ihnen zu schlucken haben.
    Hätte Rudi am entscheidenden Tag des Tests im dunklen Polarmeer, das für den tropischen Pazifik hatte herhalten müssen, seinem Innenohr nicht mit einem halben Dutzend verschiedener Pillen auf die Sprünge geholfen, und hätte Jonathan die Ausbilder nicht im entscheidenden Augenblick mit einer seiner tief schürfenden Fragen abgelenkt, dann wäre es um ihn geschehen
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