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Alice Baker: Mein Leben in der Aryan Brotherhood

Alice Baker: Mein Leben in der Aryan Brotherhood

Titel: Alice Baker: Mein Leben in der Aryan Brotherhood
Autoren: Dennis Bauers , Johnson Carl
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Wert der Beute bezahlen müsse und wieder einmal war es Elise, die dafür zahlen musste.Mister Shepherd war außer sich vor Zorn und tobte zu Hause. Mit hochrotem Kopf brüllte er Elise an, redete irgendeinen Nazi-Mist darüber, wie man mich am besten hätte erziehen sollen. Wenn Sie mich fragen, dann ist das alles nicht meine Schuld. Was kann ich dafür, dass ich bei diesen beschissenen Ausländern leben mussten, die den 4. Juli nicht feiern und ich deshalb kein Feuerwerk bekommen sollte? Scheiße, das war nicht mein Problem, aber in Momenten wie diesen stellte ich mir immer wieder diese „Was wäre wenn?“ Frage. Und sie endet immer wieder an der gleichen Stelle. Hätte meine Mutter uns nicht mit diesem dreckigen Zuhälter verlassen, wäre mir das alles nicht passiert. Meine Mutter war eine Schlampe und Elise eine unterkühlte, verweichlichte Kuh, die in Selbstmitleid versank. Mein Frauenbild war nicht grade mit starken Vorbildern gesegnet. Ob ich langsam zum Frauenhasser mutierte? Ich weiß es nicht, aber es spielt auch keine große Rolle. All zu viele Frauen sollte ich in meinem Leben nicht kennenlernen.
    In der sechsten Klasse schwänzte ich oft die Schule. Ich hatte keinen Bock mehr auf dieses Leben, auf meine Zieheltern, auf die Schule, auf Costa Mesa und auch nicht auf die reichen Mittelklassekinder. Immer wieder versuchte ich, mit dem Bus zurück nach Huntington zu kommen, was aber meistens daran scheiterte, dass ich nicht genug Geld hatte oder schlicht weg den Weg nicht wusste. Mindestens einmal in der Woche brachten mich die Cops nach Hause, weil ich beim schwarzfahren oder klauen erwischt worden war. Manchmal blieb ich auch über Nacht weg und wurde erst am nächsten Tag zurück zu den Shepherds gebracht. Während Elise in Tränen ausbrach, tobte Mister Shepherd (dessen wirklicher Familienname übrigens Schäfer war) vor Wut. Immer und immer wieder drohte er mir damit, dass er mich ins Kinderheim stecken würde, da wäre dannEndstation für mich. Wenn ich heute an diese Drohung zurückdenke, muss ich immer noch herzhaft lachen. Der alte Mann wusste nie, was Endstation bedeutet. Scheiße, ich wünschte er wäre hier bei mir in meiner Zelle und könnte miterleben, was ihm 1944 im russischen Gulag erspart geblieben ist.
    Wie dem auch sei, einmal ist es mir tatsächlich gelungen, nach Fisherman’s Creek zurückzukehren, nur um festzustellen, dass mein Vater von dort weggezogen war. Ich hörte, dass mein Dad vergeblich versucht hatte, mit mir Kontakt aufzunehmen und ihm die Jugendfürsorge meinen Aufenthaltsort nicht nennen wollte. Das war das einzige mal in der ganzen Zeit, an dem ich hemmungslos weinte. Zwar konnte ich die neue Adresse meines Vaters von einem der Nachbarn bekommen, aber auf dem Weg dahin wurde ich nachts von einer Polizeistreife aufgegriffen und zurück nach Costa Mesa gebracht.
    Als ich 14 Jahre alt war, war es dann so weit. Der alte Mister Shepherd machte seine Drohung wahr und wollte mich ins Jugendheim schicken. Der Grund dafür war nicht wirklich dramatisch, aber das Maß war voll. Ich hatte mir 200 Dollar aus der Haushaltskasse der Shepherds genommen und mir dafür Pott gekauft. Kiffen war eines meiner neuen Hobbys um der Realität zu entfliehen. Eigentlich hatte mir Gras nie gefallen, aber nach dem ersten Joint rauchte ich das Zeug beinahe täglich. Als Alfred den Diebstahl bemerkte, rief er das Jugendamt an und schilderte ihnen jede Kleinigkeit meiner Verfehlungen. Ich hatte danach noch die Möglichkeit, mit einem Psychologen zu sprechen und die Dinge aus meiner Sicht zu schildern. Scheiße, wenn ich gewusst hätte, dass sich die Dinge auch durch dieses Gespräch nicht ändern würden, hätte ich ihm direkt den Mittelfinger gezeigt und meine Zeit nicht mitihm vergeudet. So aber redeten wir etwa eine Stunde über mein Leben und das, was ich für meine Zukunft plante. Danach beschloss ein Gericht, dass eine gewisse Zeit in einer staatlichen Einrichtung das Richtige für mich und die Shepherds wäre. 1978 stand also eine neue Station auf meinem Weg fest: die Staatliche Erziehungsanstalt für Jungen in Newport Beach, Kalifornien. Das sollte das letzte mal gewesen sein, an dem ich die Shepherds sah. Falls ihr diese Zeilen wider Erwartens einmal lesen solltet, möchte ich euch noch eine letzte Botschaft zukommen lassen: „Fuck you! Das waren neun verschwendete Jahre für euch und für mich!“

FUCK YOU!
    Der zuständige Psychologe vom Jugendamt hatte damals einen Bericht über mich
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