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Alexander Gerlach - 05 - Echo einer Nacht

Titel: Alexander Gerlach - 05 - Echo einer Nacht
Autoren: Wolfgang Burger
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Sereno ist unverheiratet«, berichtete mir meine unersetzliche Sekretärin während der Rückfahrt in die Innenstadt am Telefon. »Sie arbeitet bei der Heidelberger Zement in Leimen als Fremdsprachensekretärin. Ihren Jungen gibt sie tagsüber zu einer Nachbarin im Erdgeschoss.«
    »Dafür dass Sie kaum mehr als eine Viertelstunde Zeit hatten, haben Sie eine Menge herausgefunden!«
    Sönnchen lachte stolz. »Diese Nachbarin singt auch in einem Gesangsverein. Nicht im selben wie ich, aber so was verbindet halt. Drum hat sie mir auch im Vertrauen verraten, dass Frau Sereno Ende September ein paar Tage verreist gewesen ist. Den Jungen hat sie bei ihr gelassen.«
    »Jeder macht mal Urlaub.«
    »Schon. Aber erstens ist das damals ziemlich hopplahopp gegangen mit der Reise, und zweitens war es vom einundzwanzigsten bis zum fünfundzwanzigsten September, also genau in der Zeit, in der Tim verschwunden ist. Und außerdem hat sie ihren Sohnemann sonst immer mitgenommen, wenn sie mal ein paar Tage weggefahren ist. Das sei alles ein bisschen komisch gewesen mit diesem Urlaub, sagt die Nachbarin. Erst hat sie gedacht, es steckt vielleicht ein neuer Mann dahinter.«
    »Woher kommt Frau Sereno?«
    »Aus Kroatien, meint sie. Aber ihre Muttersprache ist Italienisch.«
    »Und weiß die Nachbarin auch, wo sie hingefahren ist?«
    »Nein. Auch das hat sie ziemlich gewundert, weil sie ihr sonst eigentlich alles erzählt. Einen Hinweis gibt es aber: Sie hat ihr ein paar Flaschen italienischen Rotwein mitgebracht, als Dank fürs Kinderhüten. Und dieser Wein, der war aus der Gegend von Triest.«
    Beim letzten Wort entstand etwas in meinem Kopf. Man konnte es noch nicht Idee nennen. Es war nicht einmal ein Gedanke, kaum mehr als ein Gefühl. Da gab es einen Zusammenhang, den ich noch nicht fassen konnte. Plötzlich war ich sicher, dass die Lösung vor mir lag. Dass ich nur zugreifen musste.
    Aber so sehr ich auch grübelte an diesem Samstag, ich fand sie nicht.
    Den Nachmittag über saß ich abwechselnd in meinem Sessel und versuchte Musik zu hören oder tigerte ruhelos in der Wohnung herum. Der Sturm hatte sich gegen Mittag plötzlich gelegt. Dafür hatte es wieder einmal zu regnen begonnen. In der Stadt hatte es einige Glatteisunfälle gegeben, hörte ich im Radio.
    Meine Töchter verbrachten den ganzen Tag mit Proben. Am nächsten Abend würde nun ihr erster Auftritt sein. Im Gemeindezentrum der Christuskirche, praktischerweise nur zweihundert Meter von unserer Wohnung entfernt. Eine halbe Stunde würden sie singen dürfen, als Vorgruppe für eine Band, die ebenfalls kein Mensch kannte. Dennoch waren sie natürlich restlos aus dem Häuschen, und es gab nichts anderes mehr für sie als ihren allerersten Auftritt vor Publikum, der zweifellos der Beginn einer atemberaubenden Karriere sein würde.
    Den Gitarristen und den Schlagzeuger hatte ich gestern Abend kurz kennengelernt, als ich sie nach der Probe abholte. Zuhören war allerdings verboten gewesen, weil das Unglück brachte, wurde ich belehrt. Die beiden Jungs waren schon zwanzig und passten perfekt in Sams Konzept einer Sauber-und-anständig-Gruppe. Außerdem hatte ich bei dieser Gelegenheit auch den Namen der zukünftigen Erfolgsband erfahren, der so genial wie einfach war: »The Twins«.
    Erst gegen Abend bekam ich meine abgekämpften, aber durch und durch glücklichen Mädchen wieder zu Gesicht. Ihre Augen glühten. Die Generalprobe war ein Erfolg gewesen, und Sam war über alle Maßen begeistert.
    »Paps«, begann Sarah, nachdem das Thema durch war, »möchtest du wissen, warum die Tante auf Korfu ihren Jungen adoptiert hat?«
    Ich nahm die Fernbedienung in die Hand und stellte die Musik leiser.
    »Natürlich.«
    »Sams Freund meint, sie kann angeblich keine Kinder kriegen«, erklärte Louise mit einer Miene, als hätten sie eine welterschütternde Entdeckung gemacht.
    Wieder war da plötzlich dieses Gefühl, dieser leise Schrecken. Aber warum? Muriel Jörgensens Schwester konnte keine Kinder gebären. Was war so außergewöhnlich daran?
    »Du sagst doch immer, jedes Puzzleteil kann wichtig sein.«
    Charlie Parker und Miles Davis spielten einen verträumten Blues. Vor den Fenstern fiel der eiskalte Regen.
    Und plötzlich formte sich alles zum Bild. Tims Tante konnte keine Kinder gebären. Warum war ich Idiot nicht längst darauf gekommen?
    Meine Töchter sahen mich an.
    Sie sahen sich an.
    Dann wieder mich.
    »Ist irgendwas, Paps?«
    »Ich glaube, ihr habt eben den Fall Tim
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