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Alexander Gerlach - 05 - Echo einer Nacht

Titel: Alexander Gerlach - 05 - Echo einer Nacht
Autoren: Wolfgang Burger
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viele Menschen, überall hat sie Freunde. Was Iva in die Hand nimmt, ist plötzlich kein Problem mehr.«
    Draußen verdämmerte das letzte Licht des Tages. Die Rosenbüsche waren längst nicht mehr zu sehen.
    »Wie auch immer«, fuhr ich fort. »Einige Monate später ist die einsame, kinderlose Frau auf wundersame Weise plötzlich Mutter eines süßen kleinen Jungen, und ihre Freundin hat eine riesengroße Sorge weniger. Das Schöne, das geradezu Wunderbare an ihrem gemeinsamen Plan ist, dass Tim sogar zwei Mütter hat, die ihn gemeinsam verhätscheln und erziehen. Zwei Mütter, die sich blendend verstehen. Die leibliche Mutter kann ihr Kind fast ständig um sich haben. Und die andere hat endlich, was sie sich mehr gewünscht hat als jemals etwas zuvor in ihrem Leben.«
    Im Spiegel des Fensterglases sahen wir uns in die Augen.
    »Nur eine Kleinigkeit ging leider schief. Ihre Hoffnung, Ihren Mann durch das Kind zurückzugewinnen, erfüllte sich nicht. Ich vermute, er weiß nichts von Ihrer Unfruchtbarkeit. Vielleicht wussten Sie selbst es noch nicht so lange. Vielleicht haben Sie es ihm verschwiegen, um in seinen Augen nicht das letzte bisschen Respekt zu verlieren.«
    »Respekt?« Ihr Lachen misslang kläglich. »Hermann hat niemals Respekt vor mir gehabt.«
    »Er liebt Sie.«
    »Sagt er das?«, fragte sie ungläubig.
    »Und ich glaube es ihm sogar.«
    »Merkwürdig«, flüsterte sie.
    »Was hat Sie eigentlich zu ihm hingezogen, wenn ich fragen darf?«
    Sie schien tatsächlich überlegen zu müssen. »Stärke«, erwiderte sie endlich. »Hermann war so unglaublich stark. Ein Baum, an den man sich klammern konnte, wenn man Angst hatte. Ein Bär, der auch für die größte Kälte genug Wärme hat. Eine Lokomotive, die einen aus jedem noch so tiefen Morast zog.« Muriel Jörgensen nestelte ein Taschentuch aus dem Ärmel und schneuzte sich. Sie schien jedoch noch immer nicht zu weinen. »Leider hat er seine Bärenwärme nicht nur mit mir geteilt. Nicht einmal am ersten Tag unserer Ehe. Er war am Abend der Hochzeit, als alles tanzte, für zwei Stunden verschwunden. Als er zurückkam, sagte er, er hätte sich den Magen verdorben. Erst viel später habe ich durch einen dummen Zufall herausgefunden, dass er bei seiner damaligen Geliebten war. Um sie zu trösten, wie er es nannte, als ich ihn zur Rede stellte.«
    Wieder dieses klägliche Lachen, das einem wehtat. Und wieder schwiegen wir eine Weile. Aber es war jetzt kein gespanntes, unheilschwangeres Schweigen mehr.
    »Aber auch auf der anderen Seite gab es Probleme«, fuhr ich fort. »Ivas Mann wurde immer unerträglicher …«
    »Das stimmt«, fiel mir Muriel Jörgensen mit überraschend fester Stimme ins Wort. »Manchmal konnte Iva tagelang nicht kommen, weil sie sich in ihrem Zustand nicht an die Öffentlichkeit wagte. Und gegen Ende wurde es dann wirklich furchtbar. Einmal hätte Ratko sie fast umgebracht. Später hat sie immer öfter hier bei uns geschlafen oder bei Angelina, ihrer Freundin.«
    »Ich vermute, auch Ihr Vater hat sein Teil dazu beigetragen, dass die Idylle mehr und mehr Risse bekam.«
    »Vater hat Tim von Anfang an abgelehnt. Wir haben nie darüber gesprochen, auch nicht, als er noch klar im Kopf war. Er muss etwas geahnt haben. Erst hat er nur geschimpft und genörgelt. Aber im Frühjahr, da wurde es dann richtig schlimm. Ich musste tatsächlich Angst haben, dass er Tim etwas antut. Und dann kam auch noch Hermann zurück, und plötzlich gab es nur noch Streit. Er hatte sich so verändert. Vermutlich die ersten Anzeichen seiner Krankheit.«
    Nun war ihr Blick im Spiegelglas plötzlich wieder furchtsam. Aber ich konnte ihr den letzten Teil der Geschichte nicht ersparen.
    »Ich weiß, dass Iva einige Zeit auch bei der Familie Sander geputzt hat. Sie war sozusagen hautnah dabei, als Gundram verschwand. Das hat sie dann vielleicht später auf die Idee gebracht.«
    Muriel Jörgensen nippte an ihrem Tee.
    »Und eines Tages waren dann plötzlich alle weg. Ihr Mann und Iva und – das war natürlich das Schlimmste – Tim. Und die Hauptperson meiner Erzählung, deren so mühsam und geduldig ausbalanciertes Leben innerhalb weniger Wochen in die Brüche gegangen war, konnte ihren kleinen Sohn nicht einmal als vermisst melden. Sie musste ja fürchten, der ganze Schwindel – bitte entschuldigen Sie das hässliche Wort – könnte auffliegen.«
    »Falls es so wäre«, fragte sie leise, »würde sie denn angeklagt werden?«
    Ich sah in meinen Tee. »Einem kreativen
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