Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alex Benedict 04: Das Auge des Teufels

Alex Benedict 04: Das Auge des Teufels

Titel: Alex Benedict 04: Das Auge des Teufels
Autoren: Jack McDevitt
Vom Netzwerk:
geölt worden ist. Ihre Gesichter sind vage humanoid, abgesehen vielleicht von den vorgewölbten, rautenförmigen Augen. Allerdings müssen sie schwer darum kämpfen, etwas auch nur entfernt Ähnliches wie ein menschliches Lächeln hervorzubringen. Und natürlich ist ein erzwungenes Lächeln nie besonders überzeugend, umso weniger, wenn es spitze Eckzähne entblößt.
    Sollten Sie je einem Ashiyyur begegnet sein, wissen Sie es bereits: Die Wirkung, die sie auf Menschen haben – nämlich uns zu Tode zu erschrecken – ist weniger eine Folge ihrer Erscheinung denn eine des Umstands, dass das menschliche Denken für sie wie ein offenes Buch ist. Kein Geheimnis ist noch sicher, wenn ein Stummer sich im selben Raum aufhält.
    Kassel war ich auf meiner Reise nach Borkarat nicht begegnet, und tatsächlich hatte ich auch mit Selotta nur wenige Minuten verbracht. Aber wir hatten, falls so etwas zwischen Menschen und Stummen überhaupt möglich ist, eine Art Band zwischen uns geknüpft. Und Alex, der stets begierig auf neue Erfahrungen war, umso mehr auf solche, die ihn zum Mutterplaneten führen konnten, hatte uns begleitet.
    Unsere erste Station war der Ort, der einmal Washington, D. C, gewesen war, und von dort aus hatten wir uns auf eine Weltreise begeben. Das Nächste war die Welthauptstadt auf Corysel gewesen. Dann ging es über den Pazifik nach Mikronesien. Selotta, getrieben von ihrem Interesse für Archäologie, hatte den Ausflug nach Atlantis angeregt.
    Ich hatte zunächst meine Zweifel, schon allein, weil dazu Spezialsitze in dem Tauchboot installiert werden mussten. Aber, hatte Alex gesagt, wenn auch nur im Scherz, wozu die Erde besuchen, wenn man keinen Abstecher nach Atlantis machen wolle?
     
    Im Gegensatz zu den unzähligen irdischen Mythen darüber hatte es in Atlantis keinerlei fortschrittliche Technik gegeben. Die Bewohner hatten es geschafft, ein Bewässerungssystem und eine Art Warmluftheizung zu erbauen, aber das hatten die alten Hellenen auch schon hinbekommen.
    Über die Geschichte des untergegangenen Atlantis war im Grunde nichts bekannt. Die Stadt hatte ungefähr sechshundert Jahre floriert. Natürlich war sie auf einer Insel erbaut worden, nicht auf einem Kontinent. Plato hatte korrekt berichtet, dass Atlantis seine kontinentalen Nachbarn von Zeit zu Zeit in kriegerische Auseinandersetzungen verwickelt habe. Aber wer waren die Könige der Stadt gewesen? Was war wichtig für sie gewesen? Wir hatten keine Ahnung.
    Die Stadt war gegen Ende des dritten Jahrtausends entdeckt worden. Bedauerlicherweise hatte man sich seinerzeit nicht die Mühe gemacht, die archäologischen Schätze zu bergen. Folglich war Atlantis in den folgenden Jahrhunderten geplündert worden. Glücksritter waren hinuntergetaucht und hatten alles mitgenommen, was sie hatten finden können. Und diese Leute waren gewissermaßen Alex’ Vorgänger, auch wenn er das nie zugegeben hätte. Ich wiederum sah keinen Anlass, darauf herumzureiten, schließlich profitierte ich von der gleichen Art Beschäftigung. Jedenfalls war es, als über tausend Jahre nach der Entdeckung von Atlantis endlich Sicherheitssysteme installiert wurden, längst viel zu spät.
    »Soweit ich weiß«, erklärte uns Kassel, »gibt es in der Ansammlung nichts, was mit dem hier vergleichbar wäre!« Er sprach über einen Stimmgenerator, der zugleich als Übersetzer diente. Das Gerät hatte die Form eines silbernen Medaillons, das an einer Kette um seinen Hals hing. »Überhaupt nichts Vergleichbares!« Seine schwarzen Rautenaugen spiegelten seine Gefühle wider. Das Ende der Welt. Wie musste es gewesen sein, als das Meer über die Stadt gekommen war? Hatten die Menschen gewusst, was ihnen bevorstand? Hatte irgendjemand noch rechtzeitig fliehen können? Man stelle sich nur die Qual der Mütter vor, die auch noch kleinere Kinder mit sich hatten schleppen müssen!
    »Schrecklich!«, bekräftigte Selotta. »Besonders für junge Mütter. Das muss …« Sie brach mitten im Satz ab und schloss verlegen die Augen: Sie war ihrem Vorsatz nicht treu geblieben. Sie hatte ihre Gastgeber nie mit der Nase darauf stoßen wollen, dass deren Gedanken ein offenes Buch für sie waren.
    »Es ist sehr lange her«, meinte Alex.
    Selotta drückte ihre langen, grauen Finger an die Sichtluke, als wolle sie die Zeit selbst abwehren. »Ich habe keine Erfahrung mit solchen Orten. Fühlen sie sich immer so an?«
    Kassel war Politiker, ungefähr so etwas wie das Gegenstück eines Bürgermeisters in
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher