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Alba und Albion

Alba und Albion

Titel: Alba und Albion
Autoren: Petra Fentross
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großen Damen, dachte ich grimmig. Und dann diese entsetzlichen Haarschleifen! Aber Mamma meinte, dass ich mit meinen noch recht jungen Jahren eben nicht so erwachsen auftreten sollte, das könnte ich noch früh genug.
    Und tatsächlich!
    Nächste Woche würde ich meinen siebzehnten Geburtstag feiern und ich würde endlich in die Gesellschaft eingeführt werden! Ich konnte es einfach nicht mehr erwarten!
    Noch immer hatte ich mich nicht angezogen und da ich fröstelte, ging wieder ins Bett und zog an der Klingelschnur.
    „Guten Morgen, mein Häschen! Heute ist es zu schön, um den ganzen Tag im Bett zu liegen! Los, los, steh’ auf und zieh’ dein hellgrünes Kleid an. Die Sonne scheint und das Frühstück ist auch schon aufgetragen!“
    Schwungvoll öffnete sich die Zimmertür und herein watschelte Mary, wie Marielouise Kent von allen genannt wurde. Sie schritt durch den Raum, zog die Vorhänge auf und öffnete das Fenster. Ein Schwall von Rosenduft strömte ins Zimmer.
    Seit fast vierzig Jahren arbeitete sie als Kindermädchen. Sie hatte eine wuchtige und rundliche Figur, das dunkelbraune Haar von silbernen Strähnen durchzogen. Seit ich denken konnte, hatte sie stets das schwarze hochgeschlossene Kleid mit der weißen Schürze an, die sie unter ihrem enormen Busen fest band. Selbst unverheiratet und kinderlos, liebte sie meine Schwester und mich wie ihre eigenen Kinder. Was aber nicht heißen sollte, dass wir uns alles erlauben konnten. Mary war genauso streng, wie sie ihre Liebe auf uns beide gleichmäßig verteilen konnte und den Respekt machte ihr keiner streitig.
    Manchmal sinnierte Mary darüber, wie ihr Leben verlaufen wäre, hätte sie seinerzeit ihren Henry geheiratet.
    Diese Geschichte liebte ich, denn sie wirkte auf mich romantisch aber auch gleichzeitig dramatisch. Ganz nach meinem Geschmack!
    Als einfache Krämerstochter mit immerhin schon vierundzwanzig Jahren war sie keine so gute Partie mehr und konnte nicht wählerisch sein. Deshalb empfand sie es als Wink des Schicksals, als sich ein junger, ansehnlicher Mann aus guten Hause für sie interessierte. Er machte ihr den Hof und sie verlobten sich. Als Mary jedoch durch einen Brand ihre gesamte Familie samt Dach über dem Kopf verlor, ließ auch Henry sie aus unerfindlichen Gründen sitzen und ehelichte statt dessen ziemlich rasch eine andere Kaufmannstochter. Es wurde gemunkelt, dass diese bereits vor der Eheschließung sein Kind unter dem Herzen trug. Was für ein Skandal!
    Mittellos und verlassen blieb ihr nichts anderes übrig, als sich eine Anstellung als Gouvernante zu suchen. Was für ein Glücksfall für alle Beteiligten, dass die junge Hausherrin des Anwesens Taylorgate bei der ehrenwerten Familie Makintosh in London zu Besuch weilte, bei der Mary seinerzeit die fast erwachsenen Kinder beaufsichtigte. Lady Taylor war hochschwanger und konnte ein Kindermädchen gut gebrauchen. Nach einem kurzen Gespräch einigte man sich und so kam es, dass Catherine Taylor die arme Mary unverzüglich mit nach Taylorgate nahm.
    Und nun betrachtete sie dieses Haus in den letzten Jahrzehnten als ihr Heim. Sie zog hintereinander meine Schwester Doreen und mich groß, half in der Küche, sorgte für einen reibungslosen Tagesablauf - kurz, sie war unverzichtbar.
    Mary schüttelte den Kopf, um ihre anscheinend trüben Gedanken zu verscheuchen und drehte sich trotz ihrer Fülle schwungvoll vom Fenster ab, so dass ihre Schürze sich aufblähte.
    „Na los, Kind, steh’ auf! Denkst du, alle müssen immer nur auf dich warten? Sie sitzen bereits komplett am Frühstückstisch. Und wenn du noch lange trödelst, lasse ich den Tisch wieder abdecken und du musst bis abends warten.“
    So langsam machte sich ihre Ungeduld bemerkbar, als ich mir die Bettdecke höher an die Nase zog und vielleicht war es doch besser, ihr Folge zu leisten und aufzustehen.
    „Es ist so kalt, mach‘ erst das Fenster zu!“, jammerte ich, während Mary von einem Bein auf das andere trat, ein untrügliches Zeichen für das drohende Ende ihrer Geduld. Sie schnaubte entnervt und stupfte mich.
    „Papperlapapp!“
    Schließlich erhob ich mich, zitternd und in mich hinein knurrend. Doch ihr letztes Donnerwetter lag mir noch in den Ohren und das konnte ich in aller Herrgottsfrüh nicht ertragen.
    „Susanna, mein Mädchen, beeil’ dich etwas. Du wirst noch krank, wenn du dich nicht endlich anziehst und frühstückst. Oder bist du vielleicht schon krank? Lass mal deine Stirn fühlen.“ Ihre dicke,
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