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Alasea 04 - Das Buch der Prophezeiung

Alasea 04 - Das Buch der Prophezeiung

Titel: Alasea 04 - Das Buch der Prophezeiung
Autoren: James Clemens
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hier nichts zu suchen.«
    Elena nickte. Schon bei dem Anblick drehte sich ihr der Magen um: Das versteinerte Holz war grau wie ein Leichnam, und die winzigen grünen Kristalle, die über die ganze Länge verteilt waren, erinnerten an Eitergeschwüre. Das ganze Ding atmete Verderbnis, und sie hätte es gern gesehen, wenn Joach es kurzerhand zerstört hätte. Andererseits konnte sie auch verstehen, dass ihr Bruder davon besessen war. Der Stab hatte ihm die Jugend gestohlen, und vielleicht fand sich doch noch eine Möglichkeit, sie mit seiner Hilfe wiederzuerlangen.
    Er’ril seufzte und schaute wieder nach vorn. »Der Stab, der körperliche Verfall, sogar der Armstumpf so sehr dein Bruder diesen Dunkelmagiker verabscheut, er wird ihm immer ähnlicher.«
    Elena erschauerte trotz der warmen Frühlingssonne.
    Er’ril sah sie an. »Es tut mir Leid. Heute ist ein Freudentag, und den wollen wir uns nicht verderben.« Er zog sie näher zu sich. »Für finstere Gedanken ist auch ein andermal noch Zeit.«
    Sie lehnte sich an ihn. »Wo bleibt eigentlich Ni’lahn? Ich dachte, ich hätte mich verspätet.«
    Er’ril richtete sich auf. »Wir haben nur auf dich gewartet.« Er hob den Arm und gab Kast, der mit Saag wan ein paar Schritte abseits stand, ein Zeichen.
    Der Blutreiter setzte ein Horn an die Lippen und blies hinein.
    Hell und triumphierend schallte ein lang gezogener Ton über das Meer. Elena spürte, wie die leise Schwermut von ihr wich.
    Die kleine Westpforte wurde geöffnet. Elena stellte sich auf die Zehenspitzen, um besser sehen zu können. Tol’chuk trat in den Hof, gefolgt von der zierlichen Ni’lahn.
    Der Og’er strahlte über das ganze Gesicht. Es war einer seiner letzten Auftritte, bevor er in seine heimatlichen Berge zurückkehren würde, um das Herz seines Volkes nach Hause zu bringen und sich bei der Triade Rat zu holen. Denn eine Frage bedurfte noch der Klärung: das Verhältnis von Schwarzstein zu Herzstein. Die beiden Kristalle einer hell, einer dunkel waren in ein und demselben Berg gebrochen worden. Sie waren auf mysteriöse Weise miteinander verbunden, und selbst die Geister aus dem Buch des Blutes ahnten, dass dieses Geheimnis gelüftet werden musste. Tol’chuk hoffte, dass die Ältesten seines Stammes etwas zur Lösung des uralten Rätsels beitragen könnten.
    Doch auch das konnte warten. Heute hatte Tol’chuk die ehrenvolle Aufgabe, den Führer für Ni’lahn zu spielen.
    Ni’lahn betrat den weißen Kiesweg. Sie war in wallende Seidenschleier gehüllt, die bei jedem Schritt im Wind wehten wie zarte Blütenblätter.
    Ni’lahn wiederum führte eine noch kleinere Gestalt. Sie umfasste die Hand eines Jungen, der nicht älter als drei Jahre zu sein schien, aber Elena wusste, dass die Zeitbegriffe der Nyphai andere waren als die der Menschen. Solange die Geburtssaat schlummernd an seinem Bauchnabel hing, hatte der Kleine ausgesehen wie ein Säugling. Doch als Ni’lahn vor einem Mond zum ersten Mal den Fuß auf A’loatals Boden gesetzt hatte, hatte er den Samen abgeworfen. Von dem Moment an war er rasend schnell gewachsen und hatte sich im Nu vom Säugling zum Kleinkind entwickelt.
    Ni’lahn betrachtete den Umstand, dass der Junge ausgerechnet bei der Landung seine Geburtssaat abgeworfen hatte, als glückliches Omen und nun wollte sie diesen Frühlingstag dazu nutzen, ebenfalls ein Zeichen der Hoffnung zu setzen.
    Sie ging auf die Zuschauer zu und reihte sich ein. Den Jungen schob sie nach vorn. »Nur zu, Rodricko. Du weißt, was du zu tun hast.«
    Der Kleine blickte zu ihr auf. Er hatte die gleichen Veilchenaugen wie die Nyphai, und auch sein Haar hatte denselben warmen, honiggoldenen Ton. »Ja, Mama.« Er ließ ihre Hand los und wagte sich in die Mitte des Kreises.
    Dort blieb er stehen und musterte die Versammelten. Die vielen Gesichter, die auf ihn herabsahen, schüchterten ihn ein. Er nagte unsicher an seiner Unterlippe, doch dann ging er, ohne zu zögern, weiter bis ans Ende des Kieswegs. Dort war die Erde frisch umgegraben. Im Zuge der Instandsetzungsarbeiten hatte man auch die tote Wurzel des alten Koa’kona Baumes entfernt und das Loch mit unverseuchter Muttererde gefüllt. Doch die Gärtner hatten keine neue Saat ausgebracht. Sie schienen geahnt zu haben, dass es nur eines gab, was an dieser Stelle gepflanzt werden konnte: ein neuer Koa’kona.
    Klein Rodricko, benannt nach dem Hüter von Ni’lahns eigenem Baum, trat in die weiche Erde. In seinen kleinen Fingern hielt er ein großes
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