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Ahoi Polaroid

Ahoi Polaroid

Titel: Ahoi Polaroid
Autoren: Sobo Swobodnik
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der Finne Bjarne Hermansson, bei 110 Grad ganze 18 Minuten und 15 Sekunden lang geschafft. Wobei alle dreißig Sekunden ein halber Liter Wasser aufgegossen worden war. Die Temperatur in dieser Sauna hier war zum Glück nicht ganz so hoch. Aber wie lange konnte man es bei ungefähr neunzig Grad aushalten? Vor allem, wenn man ein völlig ungeübter Saunierer war? Was nicht die einzige Frage war, die Plotek den Schweiß auf die Stirn und sonstwohin trieb. Während er sein Hemd auszog, die Schuhe und auch die Hose, überlegte er, was man eigentlich macht, wenn man es nicht mehr aushält? Soll heißen: Wie stirbt man bei so einer Hitze? Oder besser: woran? Herzversagen? Womöglich. Sauerstoffunterversorgung? Zunächst Bewusstlosigkeit und dann Exitus? Bei den deutschen Meisterschaften der Extremsaunierer hatte bei den Männern in diesem Jahr einer aus Mecklenburg-Vorpommern gewonnen. Bei den Frauen ebenfalls eine von dort. Offenbar vertrugen Ossis die extreme Hitze besser. Da hätte jetzt vielleicht Steffen Sailer größere Überlebenschancen. Aber der war ja schon tot. Und Bruchmeier sah aus, als ob er es auch nicht mehr lange durchhalten würde. Vinzi tat es jetzt Plotek gleich und machte sich ebenfalls nackig.
    Die drei Männer saßen nun schwitzend und hoffnungslos auf den Holzplanken und warteten – nun, worauf eigentlich? Auf den Tod. Womöglich.
    »Morgen früh sind wir tot!«, brachte Vinzi es auf den Punkt. Das war keine schöne Aussicht. Und bestimmt auch kein schöner Anblick.
    Anschließend vermieden sie es, miteinander zu sprechen. Alle waren in Gedanken. Es heißt ja, dass im Augenblick des Todes das vergangene Leben im Bruchteil von Sekunden in rasender Geschwindigkeit an dem Sterbenden vorbeizieht. Konnte sein. Jetzt hatten sie dafür allerdings ein wenig mehr Zeit. Plotek dachte an das Froh und Munter in München und an die vielen Stunden, in denen er vor einem Weißbier gesessen und vor sich hin sinniert hatte. Über Gott und die Welt und sich selbst.
    Je länger die drei schwitzten, je flacher der Atem wurde und je mehr die Hitze an ihren Nervenbahnen zuzelte, auf dass diese irgendwann blank zu liegen drohten, umso größer war die Bereitschaft, dem ganzen Ärger letztendlich noch einmal Luft zu verschaffen. Soll heißen: Bruchmeier und Vinzi gerieten in ihren letzten Lebensstunden oder – minuten noch einmal aneinander. Die Vergangenheit macht eben auch vor Todgeweihten nicht halt.
    »Wir sind die beiden letzten«, begann Vinzi. »Kuhlbrodt, Sailer, Augustin haben es schon hinter sich.«
    »Das ist doch Wahnsinn.« Bruchmeier stöhnte mehr, als dass er sprach. Er war ja auch schon am längsten in dieser brütenden Hitze. Sein ganzer Kopf war so rot wie die Gesichter von Plotek und Vinzi vor ein paar Tagen. Er tropfte am ganzen Körper wie ein undichter Wasserhahn.
    »Kann man so sehen!« Vinzi wischte sich den Schweiß, der ihm ebenfalls in breiten Bächen herunterrann, aus dem Gesicht. »Aber auch anders. Ich meine aus der Sicht der Liebermanns.«
    »Die sind doch wahnsinnig.« Wieder Bruchmeiers Stöhnen. Vinzi ließ sich davon wenig beeindrucken: »Charlotte ist tot.«
    »Kann ich doch nichts dafür«, kam prompt von Bruchmeier, als müsste er sich rechtfertigen.
    »Vielleicht doch.« Vinzi atmete schwer. »Oder haben Sie ihr das Geld vielleicht überwiesen?«
    »Ich?« Bruchmeier tippte sich an die Stirn. Was Vinzi ein wenig zu ärgern schien.
    »Ja, Sie hätten sich das doch leisten können«, sagte er und fügte hinzu: »Was verdient denn so ein Intendant?«
    »Hören Sie bloß auf.« Wieder mehr gestöhnt als gesprochen von Bruchmeier.
    »Also war es nicht der Geiz?«
    »Geiz?« Bruchmeier lachte verächtlich. Was sofort in Husten überging. Er beugte sich im Sitzen auf die Oberschenkel und versuchte auszuspucken. Was ihm aber nicht gelang. Nachdem er sich wieder ein bisschen beruhigt hatte, fragte er: »Und bei Ihnen?«
    »Bei mir?« Ungläubiger Blick von Vinzi. »Sehen Sie mich an. Sieht so Reichtum aus?«
    „50 000!«, sagte Bruchmeier, was wie »Peanuts!« klang. Und dann: »Das waren für jeden 10 000.«
    »Selbst 10 000 waren undenkbar.«
    »Für mich auch.« Bruchmeier schüttelte den Kopf und die Schweißtropfen flogen durch die Luft.
    »Was?« Jetzt schüttelte Vinzi den Kopf.
    »Sie wissen ganz genau, dass ich mir das nicht leisten konnte. Nicht aus pekuniären Gründen, sondern in meiner Position«, holte Bruchmeier die Worte unter Anstrengung tief aus sich heraus. »Erpressung!«
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