Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ahoi Polaroid

Ahoi Polaroid

Titel: Ahoi Polaroid
Autoren: Sobo Swobodnik
Vom Netzwerk:
Wieder verächtliches Gelächter. Wieder Husten. »Wo fängt das an, bitte schön? Wo hört das auf?!« Er beugte sich erneut auf die Oberschenkel. Dann kippte sein Körper zur Seite, so dass er auf dem Boden lag. »Ich habe Charlotte klargemacht, dass das so nicht geht. Krankheit hin oder her.« Er erinnerte an ein Tier. Eine nackte Raupe. Eine Schnecke ohne Haus. Kurz vor dem Verenden. »Charlotte zeigte sich einsichtig. Damit war für mich das Ganze erledigt.«
    »Haben Sie eigentlich gar kein schlechtes Gewissen?« Plotek musste sich auf die Worte konzentrieren, damit er überhaupt welche formulieren konnte. Bruchmeier schwieg eine Weile und atmete immer flacher. Bis er schließlich leise, kaum hörbar, sagte: »Mein Gott, das liegt doch alles Jahrzehnte zurück. Jugendsünden. Schnee von gestern. Ich kann mich doch nicht von meiner Vergangenheit liquidieren lassen.«
    »Ich fürchte, genau darauf läuft es hinaus.« Vinzi sprach ähnlich leise und legte sich jetzt ebenfalls auf den Boden. Der Einzige, der noch auf der Holzbank saß, war Plotek. Aber auch er merkte, wie seine Knie anfingen zu zittern. Wie sein Kreislauf immer schneller und unaufhaltsamer absackte.
    »Jetzt, ja«, kam noch einmal leise von Bruchmeier. Als wollte er nicht zurückstecken. Nicht aufgeben. Als ginge es um dieses alte Kinderspiel: Wer hat das letzte Wort? »Die nichtsnutzige Nachkommenschaft spielt sich als Rächer auf, als Richter, als Herr über Tod und Leben.«
    »Im Angesicht derer wir hier nun dahinschwitzen.« Auch Vinzi gab sich hartnäckig. Bruchmeier schwieg und röchelte vor sich hin. Als nichts mehr von ihm kam, flüsterte Vinzi nach einer längeren Pause, in der alle drei vor sich hin stöhnten: »Wären Sie eben zu Hause geblieben!«
    »Wie stellen Sie sich das vor?« Bruchmeier kam noch einmal zurück ins Spiel. »Die Einladung war eindeutig. Wäre ich ihr nicht nachgekommen, hätte das meine Karriere beendet.«
    »Ich habe nicht einmal eine Einladung bekommen«, flüsterte Vinzi. Fast lautlos.
    »Warum sind Sie dann gekommen?«
    »Ich wollte einfach schon immer mal mit einem Hurtigruten-Schiff zum Nordkap.«
    Bruchmeier tippte sich wieder an den Kopf, als hätte die Hitze Vinzi unzurechnungsfähig gemacht.
    Dann schwiegen IM Broiler und IM Herz. Und Plotek dachte: Die empfohlene Schwitzphase ist jetzt rum, nun geht es langsam um den Weltrekord. Was auch deutlich zu hören war. Vinzi atmete so angestrengt, dass weniger von Atmen als eher von Röcheln die Rede sein konnte. Bruchmeier ebenso. Vor Ploteks Augen flimmerte es. Jeder Atemzug schmerzte in der Lunge, als handele es sich bei der heißen Luft nicht um Luft, sondern um Glasscherben und Rasierklingen.
    »Und wegen Charlotte. . ., Charlotte. . .« Vinzi lallte, er war kaum mehr zu verstehen, »wir hätten ihr sicher. . .« Bruchmeier verstand. »Hören Sie doch auf mit Ihrer verlogenen Moral.« Er schien sich noch einmal aufzubäumen. Seine Stimme klang erstaunlicherweise kräftiger als vorher. Als hätte er im Schweigen noch einmal Energie gesammelt. Wobei sie nach den ersten Tönen doch wieder schwächer wurde und Wort für Wort unverständlicher. Zuletzt war sie kaum mehr hörbar. »Die einzig und allein auf Ihrem schlechten Gewissen beruht. Wenn Ihnen so viel daran gelegen hätte, hätten Sie ihr eben geholfen. Dafür braucht man nicht immer Geld . . .« Die Stimme versagte.
    Dann kam lange nichts mehr. Weder von Bruchmeier noch von Vinzi. Sicher ein paar Minuten. Bis aus Vinzi ein leises »Stimmt« drang.
    Das war das Letzte, was von ihm kam. Plötzlich begann er am ganzen Körper zu zucken, als hielte er die Hand in einen Toaster. Schaum bildete sich vor seinem Mund. Die Hände verkrampften sich und sahen aus wie gebrochene Flügel. Wie bei einem epileptischen Anfall oder dergleichen. Der kurz darauf auch wieder zu Ende war. Folge: Das Bewusstsein war dahin. Weitere Folge: Er sackte auf dem Boden zusammen und lag da, wie tot. Jetzt hilft nicht mal mehr ein Wunder, dachte Plotek, oder ein Engel.
    Aber denkste. Als hätte der allerletzte Funke Hoffnung gezündet, schabte es außen an der Tür. Vielleicht war es auch nur eine Halluzination. Ausgelöst durch die unbeschreibliche Hitze, die sich in seinem Kopf staute. Vielleicht hörte er Geräusche, die es gar nicht gab. Sah Gesichter, die gar nicht da waren. Jetzt eines im Bullauge. Das war der Schriftsteller, der da hereinguckte. Oder auch nicht hereinguckte. Da war oder auch nicht da war. Bis die Tür mit einem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher