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Agrarwende jetzt

Titel: Agrarwende jetzt
Autoren: Franz Alt , Brigitte Alt
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Prozent der Bevölkerung in der Landwirtschaft beschäftigt sind. In Westeuropa insgesamt sind es noch etwa fünf Prozent.
    Weil wir alle ursprünglich von der Landwirtschaft kommen, lieben wir schöne Blumenwiesen, empfinden eine vielfältige Kulturlandschaft als Balsam für unsere Seele und einen Waldspaziergang als erholsam. Das kollektive Unbewusste lebt!
    Die heutige Welt wird wesentlich bestimmt vom Geld. Wie viel Geld aber ist uns eine Blumenwiese oder eine Kulturlandschaft oder ein Waldspaziergang wert? Die »moderne« Ökonomie interessiert sich nicht für diese Fragen. Die Natur ist die Werkstatt der Bäuerinnen und Bauern. Nur dort können frische, natürliche und gesunde Lebensmittel gedeihen. Lebenswichtige Spurenelemente und Vitamine bleiben nur erhalten bei schonender Behandlung, bei Kurzlagerung und bei möglichst kurzen Transportwegen. »Frisch auf den Tisch« ist mehr als ein Werbespot.
    Obwohl also Landwirtschaft lebensnotwendig ist, wurden uns Landwirtschaft und Landwirte in den letzten Jahrzehnten ziemlich gleichgültig. Über die Herkunft der Nahrungsmittel, die wir uns einverleiben, wissen wir fast nichts. Viele Großstadtmenschen verachten geradezu »die dummen Bauern«, und unter Jugendlichen ist »Bauer« ein Schimpfwort. Am Beginn des Industriezeitalters wurde es schick, der Landwirtschaft den Rücken zu kehren und in den aufkommenden Fabriken zu arbeiten, trotz Staublunge, Kinderarbeit und Entfremdung. Bis heute gilt Arbeit im Freien als primitiv, Arbeit im Büro oder Labor oder am Computer hingegen als erstrebenswert. Diese Verachtung körperlicher Arbeit ist uralt. Schon vor 5000 Jahren schrieb ein ägyptischer Vater seinem Sohn: »Mein Sohn, lerne das Schreiben, damit du deine Hände nicht mit Arbeit befleckst.«
    Auch Karl Marx sprach von der »sanften Idiotie des Landlebens«. Dieses Image belastet die Landwirtschaft kulturhistorisch bis heute. Wenn die Landwirte der Zukunft biologisch, technologisch und kaufmännisch versiert sind, wird ihre Arbeit intellektuell anspruchsvoller, vielseitiger, interessanter und damit auch gesellschaftlich anerkannter sein. Je bewusster sich Verbraucher ernähren, desto höher werden sie die Arbeit von Lebenswirten einschätzen. Es sind die Bauern, die uns fit for Life halten. Trotzdem sind die Bauern selbst nicht unschuldig an ihrem heutigen Imageverlust. Allzu lang haben sich die meisten den Entwicklungen des ökologischen Landbaus verschlossen und nur allzu bereitwillig am bequemen, auf Chemie gestützten Subventionssystem festgehalten - ohne Rücksicht auf Umwelt- und Bodenbelastung, auf Wasser- und Luftqualität, auf die Würde ihrer Tiere und den wirklichen Wert ihrer scheinbar so billigen Waren.
    An Lippenbekenntnissen für Ökoprodukte hat es freilich nie gefehlt. So haben im Jahr 1997 bei einer Umfrage für eine ARD-Sendung zwar 82 Prozent der Befragten behauptet, sie würden liebend gerne Ökolebensmittel kaufen. Doch die Nachfrage, ob sie tatsächlich Ökolebensmittel einkaufen, haben letztendlich nur drei Prozent bejaht!
    Noch vor 150 Jahren wurden 97 Prozent der Nahrungsmittel unserer Ururgroßeltern innerhalb des Horizonts ihres Kirchturms produziert. Heute ist die Relation eher umgekehrt. Selbst wenn Städter noch ihre Kirchtürme besteigen würden, könnten sie vor lauter Beton die Felder nicht einmal mehr sehen. Die Fernfütterung über Landesgrenzen und Kontinente hinweg ist »normal« geworden, Nahfütterung die Ausnahme.
    In dieser Situation besinnen sich Bauern, und zwar konventionell und biologisch arbeitende, seit etwa zwei Jahrzehnten wieder auf das Naheliegende: auf ein neues Verhältnis zu ihren Kunden und auf regionale Produktion.
    Es entstand und entsteht eine neue und vielfältige Art von Partnerschaft zwischen Erzeugern und Verbrauchern. Immer mehr Verbraucher sprechen wieder von »meinem Bauern« und »meinem Metzger«, wenn sie auf dem Wochenmarkt oder direkt auf dem Bauernhof einkaufen. Ein neuer Weg ist auch der Einkauf per Versand oder per Auslieferung direkt ins Haus. Diese neuen Bündnisse sind nicht nur moderne Vermarktungsstrategien, sondern es entstehen auch neue Partnerschaften und Zusammenarbeit zwischen Landwirten und Verbrauchern.
    Beim regelmäßigen Einkauf auf dem Bauernhof sehen die Kunden die Erzeuger ihrer Lebensmittel und die Felder, auf denen diese wachsen. Durch Gespräche mit dem Bauern oder der Bäuerin wächst das Verständnis für die Landwirtschaft und die Achtung vor der Arbeit in der
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