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Agent 6

Titel: Agent 6
Autoren: Tom Rob Smith
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verschlimmern. Wenn sie ihn erschießen würden, würde jeder Schwarze in Amerika denken, das FBI hätte einen vorlauten Neger gelyncht, egal was wirklich dahintersteckte. Niemand würde das für ein kommunistisches Komplott halten, alle würden von einem Anschlag des FBI ausgehen. Durch die Ermordung würde ein vergessener Mann wieder berühmt werden, noch berühmter als früher, ein Märtyrer der Negerrevolution. Nur ein paar Monate vorher war Malcolm X erschossen worden, zwei Attentate auf Neger in einem Jahr, so was wirkt schon verdächtig, das muss man ihnen lassen. Sie haben gehofft, dass nach Austins Tod alle seine Musik kaufen und sich seine Reden anhören. Sie dachten, sie könnten seiner Karriere neues Leben einhauchen, indem sie ihm das Leben nehmen.
    Yates lächelte die ganze Zeit, während Nara übersetzte. Die ironischen Aspekte amüsierten ihn, er erinnerte sich liebevoll an eine Zeit, in der er Macht über Leben und Tod besessen hatte.
    – Damit der Plan funktionierte, musste Austin an einen öffentlichen Ort kommen, vor die Augen der Weltpresse. Deshalb haben sie den Plan mit dem Konzert verknüpft.
    Leo sagte auf Russisch:
    – Aber das FBI hätte der Öffentlichkeit doch einfach sagen können, dass die Kommunisten dahinterstecken.
    Nara mühte sich mit der Übersetzung ab, doch Yates lächelte bereits, er hatte den Einwand verstanden.
    – Je öfter das FBI den Kommunisten die Schuld gegeben hätte, desto mehr hätte die Öffentlichkeit geglaubt, dass das FBI dahintersteckt. So entstehen Verschwörungstheorien. Die offizielle Version muss wie eine Lüge klingen, selbst, wenn sie die Wahrheit ist, und je lauter man die Wahrheit sagt, desto eher suchen die Leute sie woanders. Die Kommunisten konnten dem FBI die Sache nicht direkt anhängen, dazu hatten sie weder die Mittel noch die Fähigkeiten. Sie wollten Ihre Tochter Elena als die Schuldige darstellen und vortäuschen, sie hätte mit Austin geschlafen. Die weißen Amerikaner hätten geglaubt, das Mädchen hätte ihn aus Eifersucht erschossen. Die Neger nicht. Der Plan sollte durch Unterstellungen und Andeutungen funktionieren: Sie haben darauf gesetzt, dass die Neger automatisch alles Schlechte über das FBI für bare Münze nehmen würden.
    Yates stand auf, steckte den Revolver ein und ging zum Kühlschrank, um sich ein weiteres Bier zu holen. Er zog den Verschluss ab, ließ ihn auf den Teppich fallen und nahm einen langen Schluck, während er ungeduldig wartete, bis Nara fertig war. Als Leo alles gehört hatte, fragte er:
    – Wie haben Sie das herausgefunden? Elena kann Ihnen das nicht erzählt haben, sie wusste es nicht.
    – Das hat mir alles ein schwuler jüdischer Kommunist namens Osip Feinstein erzählt. Er war daran beteiligt und hat kalte Füße bekommen. So wie alle Kommunisten wollte er die Seiten wechseln. Und ich sollte den Retter in der Not spielen.
    – Er wollte mit dem Mord an Jesse Austin nichts zu tun haben?
    – Vielleicht mochte er die Musik von dem alten Mann. Die Gründe kenne ich nicht. Aber er hat alles ausgeplaudert und seine Kollegen verraten.
    – Ist er vor oder nach dem Mord zu Ihnen gekommen?
    Yates überlegte, ob er lügen sollte, dann zuckte er mit den Schultern und sagte:
    – Feinstein hatte in New York ein Reisebüro, das für reiche, dumme Kommunisten aus Amerika Fahrten ins kommunistische Europa organisiert hat. Das Büro hatte er schon seit Jahren geleitet. Und plötzlich wollte er reden. Ich bin zu ihm gegangen, und er hat mich gebeten, den Mord zu verhindern. Er meinte, ich könnte Jesse Austin retten. Im Gegenzug wollte er untertauchen, in Schutzhaft, weil er Angst hatte, die Russen würden ihn umbringen.
    Leo fragte:
    – Und Sie haben nichts getan?
    Yates nickte.
    – Genau – na ja, fast nichts. Erstens wusste ich nicht, ob die Geschichte stimmte. Der Mann hat so oft wie kein anderer Spion die Seiten gewechselt. Er war nicht mal ein ehrlicher Feind. Zweitens dachte ich: Warum sollte ich mich einmischen, wenn sich die Kommunisten gegenseitig umbringen? Warum sollte ich den alten Jesse retten, einen Mann, der etwas gegen seine eigenen Landsleute hatte? Ich war es leid zu hören, wie Jesse Austin über Amerika herzog. Warum sollte ich einen Kommunisten retten, der die USA hasst? Warum sollte das FBI einen Verräter retten? Am Ende hat sich Jesse die falsche Seite ausgesucht. Die Entscheidung hat ihn das Leben gekostet.
    Leo bat Nara, eine weitere Frage zu übersetzen.
    – Warum hat
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