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Afrika Quer (German Edition)

Afrika Quer (German Edition)

Titel: Afrika Quer (German Edition)
Autoren: Peter Boehm
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vier Passagiere und unser Gepäck wurden gewogen und das Gewicht notiert. Das kleine Flugzeug sah neu aus und seine metallene Außenhaut glitzerte in der Morgensonne.
    Die zwei Piloten waren „Asiaten“ – so nennt man die Nachfahren indischer Arbeiter, die während der britischen Kolonialzeit nach Ostafrika verschifft wurden. Sie waren Vater und Sohn. Das sah man. Ihnen gehörte das Flugzeug.
    Lulu hatte gestern damit geworben, dass das Flugzeug von Asiaten geflogen wird. Ich verstand nicht, warum er das so betonte. Aber jetzt, da ich sah, wie der Vater genau kontrollierte und der Sohn genau notierte, wie viel Gewicht das Flugzeug lud, wusste ich warum. Lulu hatte mich beruhigen wollen.
    Denn Geschichten über die Khat-Flüge hat in Nairobi fast jeder schon einmal gehört. Die zum Beispiel von der Maschine, deren einer von zwei Motoren kurz nach dem Start ausfiel, hat mir ein deutscher Mitarbeiter einer Hilfsorganisation erzählt. Der Pilot musste zum Wilson-Flughafen zurückkehren, aber nach der Landung konnte er natürlich nicht den Rückschub seines verbliebenen Propellers einschalten, da sich das Flugzeug wegen des einseitigen Abbremsens sonst gedreht hätte. Also schoss das Flugzeug über die Landebahn hinaus und wurde erst durch einen Zaun gestoppt. Das Foto der verbeulten Maschine war am nächsten Tag in der Zeitung zu sehen. Der Pilot floh wegen der Brandgefahr Hals über Kopf aus dem Flugzeug und ließ seine zwei Passagiere im Laderaum zurück. Die beiden kamen erst frei, nachdem der Deutsche die Tür aufgetreten hatte.
    Eine andere Geschichte, die nur ein paar Wochen vor meinem Flug passierte, habe ich erst in Bosasso gehört. Der Ko-Pilot hatte die Flugzeugtür nicht richtig geschlossen und wurde über der kenianisch-somalischen Wüste hinausgesogen. Ohne Fallschirm.
    Unser Flugzeug wurde also von Asiaten geflogen. Das hat mich etwas beruhigt, aber nicht völlig. Denn anstatt uns eine Sicherheitseinweisung zu geben, blaffte uns der Ko-Pilot an: „Der Flug dauert dreieinhalb Stunden. Macht keinen Ärger!“ Und er musste sich liegend ins Cockpit vorarbeiten, weil sich die Khat-Säcke dann doch fast bis zur Decke stapelten.
    Für uns vier Passagiere blieb ganz hinten in der Maschine nur ein kleines Luftloch, gerade groß genug, um uns hinzusetzen. Das gesamte Flugzeug duftete nach Khat wie ein Vorstadtblumenladen.
    Es kann eine beunruhigende Vorstellung sein, mit Fremden in einen solch engen Raum gesperrt zu werden. Außerdem habe ich in diesen kleinen Maschinen oft Flugangst. Sie schwanken gehörig und sacken manchmal in tiefere Regionen. Diesmal ging es jedoch, denn das Flugzeug war zweimotorig. Es flog verhältnismäßig stabil.
    Mohammed – so stellte sich der junge Mann später vor – legte sich auf die Khat-Säcke, zupfte ein paar Halme heraus, steckte sie in den Mund und schlief bald darauf ein.
    So hatten wir hinten auf unserer Bank etwas mehr Platz, und der zweite junge Mann, mit dem Schriftzug „ADEAS“ und drei Streifen auf seiner Jacke, konnte sich zu unseren Füßen hinsetzen und sich so ganz dem Gespräch mit dem Mädchen neben mir widmen.
    Auch sie trug den Hijab. Mohammed übersetzte später, sie gehe in Komarock, einem Vorort von Nairobi, zur Schule. Und als das Flugzeug später Turbulenzen durchflog und sie die Haube kurz abnahm, sah man, dass sie ihre Fußnägel– frau darf ja sonst nichts! - in verruchtem Schwarz lackiert hatte. Und auch dass sich hinter dem etwas plump wirkenden Mädchen mit dem dicken Gesicht ein recht hübscher Teenager verbarg.
    Nach gut drei Stunden Flug luden wir einen Teil unserer Ladung in Galkayo aus. ADEAS war hier zuhause. Er war nur nach Nairobi, in die Zivilisation, geflogen, um sich dort operieren zu lassen.
    Als unsere Tür aufging, warteten schon zwei Fahrer ungeduldig mit ihren Kombis auf dem Flugfeld, um die für sie bestimmten Khat-Säcke in Empfang zu nehmen. Zweieinhalb Minuten später schossen sie aus dem Tor des Flughafengeländes und fuhren wild hupend durch die Stadt, um alle aufmerksam zu machen, dass der Khat endlich da ist und nun am Markt gekauft werden kann.
    Nach dem Zwischenstopp setzte sich Mohammed zu uns nach hinten. Er war über 1,90 Meter groß. Und wegen seiner Reaktion auf meine Ankündigung, dass ich, wenn nötig, in eine von mir mitgebrachte Tupperware-Dose pinkeln werde, hatte ich ihn für älter gehalten. Für Mitte zwanzig vielleicht. Ich wusste, es gibt keine Toiletten in solchen Flugzeugen, und er hatte angeekelt
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