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Afrika Quer (German Edition)

Afrika Quer (German Edition)

Titel: Afrika Quer (German Edition)
Autoren: Peter Boehm
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behaupten, sie hätten nicht bezahlt: Sie haben bezahlt. Eine andere Verhandlungsbasis mit solchen Kidnappern gibt es nicht. Selbst wenn sie wollten, können die Warlords nur sehr selten Druck auf die Banden ausüben.
    In das Bermuda-Dreieck, einem berüchtigten Viertel von Mogadischu, trauen sich noch nicht einmal die Warlords mit ihren Milizen hinein.
    Helfer und Journalisten – jemand anders verirrt sich ohnehin nicht nach Somalia – können in Somalia deshalb ohne Wachmannschaft ihr Haus nicht verlassen. In Mogadischu bin ich nie ohne eine Handvoll Milizionäre auf der Ladefläche oder auf den Rücksitzen eines Geländewagens durch die Stadt gefahren. Manchmal fuhren wir sogar mit zwei Autos, damit wir mehr Männer mit Kalaschnikows mitnehmen konnten.
    Selbst zum Schwimmen im Meer durfte ich nicht alleine gehen. Zum Strand waren es vom Gelände der Hilfsorganisation, bei der ich wohnte, nur 100 Meter über eine flache Sanddüne. Aber dass zwei Männer am Strand patrouillierten oder mit gen Himmel zeigender Kalaschnikow breitbeinig Wache standen, hat mir den Spaß am Baden verdorben.
    In Bosasso hörte ich nun wieder Warnungen von allen Seiten. Garibaldi riet mir, das Hotel nicht ohne Begleitung zu verlassen. „Diese islamischen Fundamentalisten kommen aufgeputscht aus der Moschee und werfen mit Steinen nach dir“, sagte er.
    Aus der Luft gegriffen war das bestimmt nicht. Denn eine kenianische Kollegin von mir war knapp zwei Jahre zuvor mit Steinen beworfen worden. Sie hatte mit einem ärmellosen T-Shirt das Hotel verlassen.
    Und auch der Hinweis eines einheimischen Helfers: „Lassen Sie sich nicht irre machen. Eigentlich muss man sich nur vor Verrückten in acht nehmen“, beruhigte mich nur mäßig. Je nach Perspektive konnten das in Somalia eine ganze Menge Leute sein.
    Ich war enttäuscht. Ich wollte das Land nicht schon wieder nur vom Hotelfenster oder vom Beifahrersitz eines Geländewagens aus sehen. In dem Land war ich schon ein halbes Dutzend Mal und damit öfter als in vielen anderen afrikanischen Ländern, aber ich wusste doch gar nichts über seine Leute.
    Nun war ich in der autonomen Region Puntland. Hier sollte es wieder Anfänge staatlicher Verwaltung geben. Diesmal wollte ich mich eigentlich nicht wieder auf Distanz halten lassen. Diesmal wollte ich keine Glasscheiben zwischen mir und den Leuten dulden.
    Den ersten Morgen begann ich jedoch von der sicheren Aussichtsplattform der Hotelterrasse. Von hier hatte ich einen schönen Ausblick auf das türkisfarbene Wasser des Indischen Ozeans und das aus grobbehauenen Steinen errichtete Hafenbecken, sowie im Rücken der Stadt auf Gebirgszüge aus blassrotem Gestein, auf die der bewölkte Himmel Fleckenmuster zeichnete.
    Bosasso hat das für eine somalische Stadt typische Erscheinungsbild, mit weißgetünchten, flachen Häusern und einigen wenigen Minaretten, die ihren Kopf über die Viertel recken. Dazwischen gibt es viel Sand und jene Lager, gleichsam Dickicht und Unkraut der Stadt, die sofort überall dort zu sprießen beginnen, wo bisher keine Häuser gebaut wurden.
    Durch den Bürgerkrieg in Somalia mussten viele Leute die Regionen verlassen, in denen ihr Clan nicht in der Mehrheit war. In allen somalischen Städten entstanden so Lager für die Vertriebenen. Aber auch die Nomaden kommen aus der Umgebung, wenn der Regen auf sich warten lässt, oder sie glauben, sich in der Stadt besser durchschlagen zu können, und bauen sich ihre Behausungen aus Zivilisationsmüll.
    In einem solchen Dickicht aus Latten, Ästen, Kartons, Lumpen, Decken, Lehm und Autoschrott unmittelbar zu meinen Füßen nahm eine Frau gerade ihre morgendliche Dusche. Wie so oft in Afrika hatte das Badezimmer keine Decke, und die Frau drängte sich in die Ecke, damit neugierige Beobachter von der Hotelterrasse nur die Wasserkanne und ihren ausgestreckten Arm sehen konnten. Nicht einmal zwanzig Schritte entfernt erleichterte sich ein Mann in einem Halbrund aus Lkw-Wrackteilen.
    Ion M. Lewis, den wohl fachkundigsten Beobachter Somalis, erinnert das Land nach dem Bürgerkrieg an jenes des 19. Jahrhunderts. „Mit Speeren, die durch Kalaschnikows und Bazookas ersetzt wurden“, schreibt er. „Die Clan-Gebiete konnten von Fremden nur mit Erlaubnis der Einheimischen betreten oder durchquert werden, gewöhnlich nach einer angemessenen Zahlung für die ,Bewachung‘“.
    Einer der bekanntesten Reisenden, die Somalia im 19. Jahrhundert besucht haben, war der britische Orientalist Sir
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