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Afrika Quer (German Edition)

Afrika Quer (German Edition)

Titel: Afrika Quer (German Edition)
Autoren: Peter Boehm
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Nairobi nie: Ich kam aus dem Staunen nicht heraus. Ich war vorher schon ein paar Mal nach Afrika gereist, teils beruflich, teils zum Spaß, und ich hatte vieles über den Kontinent gelesen.
    Erst als ich hinzog jedoch, als ich dort lebte, lernte ich ihn richtig kennen. So viele in meinem Leben mühselig erworbene Strategien waren auf einmal nutzlos. Ich kam mir ein bisschen vor wie ein kleines Kind, das seine Welt erst entdecken muss. Alles war anders. Alles erforderte Übung, wenn ich nicht fürchterlich auf die Nase fallen wollte.
    So vermeintlich einfache Dinge, wie telefonieren oder mit dem Stadtbus fahren, wollten erst einmal bewältigt werden. Aber viel entscheidender war, dass ich die Leute nicht verstand, wie sie tickten, und warum sie eigentlich taten, was sie taten. Das war das Schwierigste: Sich in jemanden hineinzuversetzen, der in grundverschiedenen gesellschaftlichen Bedingungen aufgewachsen war.
    Dieses tägliche Leben, das mich so in Erstaunen versetzt, und diese Leute, die mir ein Rätsel nach dem anderen aufgegeben hatten, musste ich schildern. Wenn es mir so ergangen war, als ich hinzog, wie wäre es dann den Daheimgebliebenen erst ergangen, die nicht meine Erfahrung hatten.
    Um dieses Staunen in Worte zu fassen, dachte ich, wäre es eine gute Idee, eine lange Reise in Afrika zu machen und alle zu porträtieren, die ich für charakteristisch und interessant hielt. Denn wenn man sich auf Parteien, Parlamente und Verbände fixierte, erschien Afrika als ein etwas ärmeres Europa - und sonst nichts. Aber das war es nicht. Wie hätte ich sonst so staunen können, nachdem ich hingezogen bin.
    Deshalb war es wichtig, sich von der anderen Seite zu nähern. Vom Alltag des Kontinents und seinen Bewohnern.
    Nachdem ich den Entschluss zu einer langen Reise gefasst hatte, folgten die restlichen Entscheidungen wie von allein. Den Kontinent der Länge nach zu durchmessen, also vom Kap nach Kairo zu reisen oder umgekehrt, haben schon so viele gemacht.
    Deshalb musste ich den Kontinent durchqueren, am besten an seiner breitesten Stelle - das heißt vom östlichsten Punkt zum westlichsten, also vom Kap Hafun in Somalia bis zum Kap Verde in Senegal. Als östlichsten Punkt verstand ich so natürlich den östlichsten Punkt der Landmasse und nicht jenen auf der Inselgruppe der Seychellen, die politisch und geographisch oft zu Afrika gezählt wird.
    Und ich wollte es mir nicht zu leicht machen. Deshalb stellte ich mir die Bedingung, die gesamte Durchquerung am Boden zurückzulegen. Die Richtung der Durchquerung - von Ost nach West - ergab sich aus rein praktischen Gründen. Nach Somalia zu kommen, ist von Nairobi aus einfach. Und weil ich in Somalia auch die meisten Probleme erwartete, war es gut, dort anzufangen.
    Ich fuhr im Januar los. Dann ist die Regenzeit in der Sahelzone vorbei (Juni bis Oktober), und die Straßen sind passierbar. Und wenn alles so lief, wie ich hoffte, dann war ich, bevor der Regen wieder einsetzte, schon im Senegal angekommen.
    Für öffentliche Verkehrsmittel entschied ich mich, weil ich mir so die Sorge um ein eigenes Auto ersparte. Und weil es für mein Vorhaben ohnehin besser war, alles so zu machen, wie es Afrikaner machten oder zumindest hätten machen können.
    Für die Route gab es nicht viele Alternativen. Der Anfang war klar: Somalia, Äthiopien. Dann wurde es etwas knifflig, denn die drei großen Bürgerkriegsländer - der Sudan, die Demokratische Republik Kongo und Angola - legen sich wie ein großer Sperriegel vor die Durchquerung.
    Ich entschied mich für den Nord-Sudan, weil dort nur in sehr wenigen Regionen gekämpft wird, dann durch den Tschad und danach für die nördliche Route durch Nigeria, Niger und Mali.
    So hatte ich eine Reise von mehr als 7.500 km Luftlinie vor mir. Als Zeitlimit gab ich mir sechs Monate. Und außer Geld brauchte ich dann nur noch, was der malische Historiker Amadou Hampâté Bâ schon in den siebziger Jahren für die Forscher mündlicher Überlieferung in Afrika gefordert hat: „Die Haut eines Krokodils, damit sie ihren Kopf überall hin und auf alles legen können; den Magen eines Vogelstraußes, damit sie alles essen können, was ihnen angeboten wird, ohne Ekel zu verspüren oder krank zu werden, sowie unendliche Geduld und das Herz einer Taube, damit sie niemals aufgeregt werden oder die Nerven verlieren.“
    Das Herz einer Taube brauchte ich vor allem, und ich brauchte es gleich am Anfang.
    Und ich behielt die Nerven. Ich fuhr noch einmal zum
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