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Afrika Quer (German Edition)

Afrika Quer (German Edition)

Titel: Afrika Quer (German Edition)
Autoren: Peter Boehm
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Richard Burton. Er war der erste Christ, der die verbotene Stadt Harar betrat und heil wieder zurückkehrte. In den Somali-Gebieten war die wichtigste Person für Burton sein jeweiliger „Abban“ – Führer, Treuhänder, Beschützer und Übersetzer in einem. Für jedes Clangebiet brauchte er einen neuen. Der Abban stellte Burton den traditionellen Herrschern vor und machte alle Transaktionen für seine Karawane. An jedem Kauf und Verkauf verdiente er einige Prozent Kommission. Hatte Burton einen schlechten Abban gewählt, wurde er fürchterlich ausgenommen.
    Aber die autonome Region Puntland und ihre größte Stadt Bosasso hatten das 19. Jahrhundert ja hinter sich gelassen. Es gab eine Polizei, es gab eine Verwaltung - zumindest hatte der Gouverneur von Bosasso ein Büro -, und die Kalaschnikows waren aus dem Straßenbild verschwunden.
    Außerdem waren Schüsse nur selten zu hören. Einmal hörte ich ein paar Salven nachts und einen vereinzelten am Nachmittag. Es war nicht klar, wer geschossen hatte und warum. Aber Garibaldi und die Mitarbeiter der Hilfsorganisation schienen deshalb beim Abendessen nicht besorgt, und so war ich es auch nicht. Mit einem Wort: Ich würde auf meiner Reise zum östlichsten Punkt keine Wachmannschaft brauchen, und anstatt nach einem Abban musste ich nach einem Übersetzer Ausschau halten, der gut Englisch sprach.
    So weit hatte sich diese Veränderung in Puntland allerdings dann doch wieder noch nicht herumgesprochen. Denn als sich Mohamoud Askar als „Infrastrukturvermittler“ vorstellte, war mir sofort klar, dass ein Abban heutzutage, würde es diesen ehrwürdigen Beruf immer noch geben, genau so heißen musste. Auch Askars Preise waren recht modern. Für die Vermittlung seiner eigenen Infrastruktur wollte er umgerechnet €50 pro Tag haben.
    Askar vermietete seine Geländewagen an die Hilfsorganisation. Und für die Heimfahrt vom Flughafen, bei der ich in einem Fahrzeug der Helfer gesessen hatte, wollte er mir einen halben Tag Miete für ein zweites Auto berechnen, das er, ohne mich zu fragen, vor dem Hotel bereit gehalten hatte.
    Ich war also gewarnt, aber dann doch nicht auf die Klientel vorbereitet, die er als Übersetzer vorschlug. Die jungen Männer hatten schon für Hilfsorganisationen gearbeitet und wollten Essenszulagen, einen Übernachtungszuschlag und hätten am Ende mehr verdient als ich bei einem Auftrag für eine Tageszeitung. Viel mehr sogar.
    Über eine italienische Hilfsorganisation fand ich Nuredin. Zwar hatte auch er zwei Jahre lang als Helfer in einem Flüchtlingslager im Nordosten Kenias gearbeitet, aber seine Gehaltsforderungen waren moderat. Er war Anfang 30, ausgebildeter Krankenpfleger, und mit seinem Bart und seinem feingeschnittenen Profil erinnerte mich sein Aussehen an eine Figur aus einem antiken sumerischen Relief. Wenn er das Geld zusammenhatte, wollte er bald im Ausland sein Medizinstudium beenden.
    Am Nachmittag gingen Nuredin und ich einen Kaffee trinken. Das Lokal war leer, aber nach einer Weile kam ein Mann herein und setzte sich an den Nebentisch. Er schien noch nicht viele Weiße gesehen zu haben. Über fünf Minuten verfolgte er gebannt jede meiner Bewegungen, studierte genau meine Mimik und schien dessen, was er sah, nicht müde werden zu können. Ihm böse Blicke zuzuwerfen, nützte gar nichts. Er starrte mich einfach weiter an. Irgendwann zog ich meinen Stuhl zurück, um mich hinter Nuredin zu verstecken. Aber so leicht ließ er sich nicht abschütteln. Er zog seinen nach vorne, um mich wieder ungestört anglotzen zu können.
    Von den Somaliern werden die Somalis, die in Kenia leben, „Sijuis“ genannt. Sie sind Waschlappen, ist damit gemeint, keine richtigen Somalis auf jeden Fall. Aber solche Erlebnisse waren es, die mich für einen Übersetzer gezielt nach einem Sijui suchen ließen.
    Am Kap Hafun, dem östlichsten Punkt, war Nuredin noch nie. Aber ich dachte, dass ich Leute wie ihn aus Nairobi kannte. Wo junge Somalis hingeschickt werden, weil es in ihrem Heimatland keine weiterführenden Schulen gibt, zu Verwandten nach Eastleigh, dem Viertel in Nairobi, in dem vor allem Somalis wohnen.
    Nuredin hatte tatsächlich eine Weile in der kenianischen Hauptstadt studiert. Wir unterhielten uns über die Matatus, die in Nairobi für ihren halsbrecherischen Fahrstil bekannten Minibusse. Er kannte die Nummern der Linien, und er kannte Straßennamen. Er schien sich gerne zu erinnern. Und ich traute ihm. Das war entscheidend.
    Bei der Fahrt zum
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