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Afrika Quer (German Edition)

Afrika Quer (German Edition)

Titel: Afrika Quer (German Edition)
Autoren: Peter Boehm
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Die konnten nur solche Leute wie Abdullahi gemacht haben.
    Denn er hasste auch Abkürzungen. Wenn abzusehen war, dass eine Spur kürzer sein würde, nahm er fast immer die längere, und zog jene, die einen Drift um einen Busch zu versprechen schienen, den geraden vor.
    Sicher, Abdullahi fuhr also komisch. Aber zu dem Zeitpunkt maß ich dem noch keine große Bedeutung zu. Das geht mir oft so. Obwohl eigentlich schon so viele Anzeichen versammelt sind, und ich sie nur zum großen Bild zusammensetzen müsste, fehlte offenbar der entscheidende Teil des Puzzles, der alles wie von selbst ineinanderfallen lässt.
    Trotz aller Vorfälle auf der Fahrt nach Hafun kam mein Moment der Klarheit mit Abdullahi erst, als wir schon wieder in Bosasso waren. Ich wollte wissen, was aus Mohammed geworden war, dem jungen Mann aus London, den ich auf dem Khat-Flug aus Nairobi kennen gelernt hatte. Von den Beamten am Flughafen bekamen wir den Namen seines Onkels.
    Flughäfen, Grenzen und Regierungsgebäude sind in Afrika, viel mehr noch als in Europa, respekteinflößende Regionen. Man wird bescheidener, spricht eine Tonlage tiefer und versucht auf jeden Fall, niemanden zu provozieren.
    Nicht so Abdullahi. Obwohl für alle deutlich zu sehen ein Mann im Tor des Flughafens stand, bremste er nicht ab, sondern hupte wieder einmal, blieb auf dem Gas und schoss auf die Straße hinaus. Der Mann konnte sich nur durch einen blitzartigen Sprung zur Seite retten. Vielleicht war er ein Beamter, möglicherweise sogar Polizist. Als ich mich umdrehte, sah ich, dass er uns nur mit seinen erhobenen Fäusten drohte. Einen Moment lang befürchtete ich, er werde eine Pistole ziehen.
    Nichts konnte Abdullahi bremsen. Nicht einmal ein Flughafen! Und dann noch in Somalia! Das war einfach nicht normal. Und da machte es klick. Mit einem Mal erschien mir die Lösung einfach und klar, und ich wunderte mich, warum ich nicht die ganze Zeit schon darauf gekommen war.
    Misstrauisch hätte mich schon machen müssen, dass Abdullahi gleich, nachdem wir uns getroffen hatten, sagte: „Somalia hat keine Regierung. Das ist schlecht, aber das ist irgendwie auch gut.“
    Ob er denn im Bürgerkrieg gekämpft hat, fragte ich ihn jetzt. Und auch Nuredin, der nach dem Stunt am Flughafen ebenso mit dem Kopf geschüttelt hatte, wurde hellhörig. „Zwei Mal“, antwortete Abdullahi. „Einmal in Mogadischu und einmal in Bosasso.“
    War er heute wirklich siebenundzwanzig Jahre alt, wie er sagte, dann war er zu Beginn des Krieges gerade mal siebzehn. Und auf die Frage, wie viele Leute er denn getötet habe, sagte er: „Getötet habe ich niemanden. Aber einige verletzt.“ Das hätte ich auch gesagt, wenn ich mich in die Ecke gedrängt gefühlt hätte.
    In der Wüste war mir Abdullahis Fahrstil allerdings ganz recht. Die riesenhafte, bestimmt mehrere hundert Meter lange Staubfahne, die wir hinter uns herzogen, gab mir ein Gefühl von Bewegung, Dynamik und Kraft.
    Ich bewunderte auch, wie schlafwandlerisch er sich in der kargen Landschaft zurecht fand. Hinweisschilder gab es keine, Abzweigungen jedoch viele. Abdullahi zögerte niemals, welche er nehmen sollte.
    Auf der Hinfahrt erschien mir das ein bisschen wie Zauberei. Die Natur war formlos, keiner der kahlen Büsche unterschied sich für mich vom anderen. Aber auf der Rückfahrt sah ich die Wüste dann wohl schon ein bisschen mehr mit Abdullahis Augen. Ich konnte deutlich abgegrenzte Abschnitte unterscheiden. Wie deutlich – und das fiel mir später in den somalischen Landschaften noch öfter auf – war wirklich verrückt.
    Es gab keinen Übergang zwischen dem Sand, auf dem mit einem Mal wie von Geisterhand Kieselsteine ausgelegt waren; den vielen bizarr verkrüppelten Bäumchen; den schwarzen, sanft geschliffenen Steinen auf dem unberührten beigen Sandteppich, oder später den hohen Sanddünen. Es gab nur sauber gezogene Grenzen, so als ob alle Zonen nach einem exakten Plan angelegt wurden, der keine Vermischung duldete.
    Nach vier Stunden Fahrt war es jedoch vorbei mit Abdullahis staubfahnenziehendem Fahrstil. Mit einem Mal ließ er die Schultern sinken, hing über dem Lenkrad mit den Augen nah an der Windschutzscheibe und fuhr wie ein Betrunkener Autoscooter auf einer Landkirchweih. Er hatte nur eine Hand am Steuer. Er schreckte hoch, wenn er wieder über den Rand der Fahrbahn kam und durchgeschüttelt wurde und übersteuerte dann wieder in die andere Richtung, so dass wir in Schlangenlinien fuhren - bis es mir zu viel
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